Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
Fersen zu, und dann noch einmal, um die erschöpfte Stute anzuspornen. Der Wind ließ ihre roten Locken flattern, als sie frei über das Grasland galoppierte. Vor Freude schrie sie laut und jubelnd auf, während sie in einem weiten Kreis um mich herumritt. Ihr Rock wurde hochgewirbelt, aber sie achtete nicht darauf, sondern trieb das Pferd immer weiter an, bis es schnaubte und sie selbst genauso atemlos war wie das Tier. Dann erst zügelte sie die Stute und glitt aus dem Sattel.
»Ich habe mich wund geritten«, verkündete sie munter.
»Ihr reitet gut, Lady«, lobte er sie.
»Ich habe davon geträumt, wieder auf einem Pferd zu sitzen. Oder auf die Jagd zu gehen. Ach, von so vielem!« Sie glättete ihren Rock und warf mir einen belustigten Blick zu. »Was genau hat Arthur gesagt?
Was genau solltet Ihr mit mir machen?«
Ich zögerte. »Er hat sich nicht genau ausgedrückt, Lady.«
»Solltet Ihr mich töten?« fragte sie rundheraus.
»Nein, Lady!« stieß ich erschrocken hervor. Ich führte die Stute am Zügel, während Guinevere nunmehr neben mir ging.
»Er will mit Sicherheit nicht, daß ich Cerdic in die Hände falle«, sagte sie energisch. »Das würde ihm nur schaden. Wie ich vermute, hat er mit dem Gedanken gespielt, mir die Kehle durchzuschneiden. Argante hat das bestimmt verlangt. Ich an ihrer Stelle hätte das jedenfalls getan. Daran mußte ich denken, als ich eben um Euch herumgeritten bin. Angenommen, dachte ich, Derfel hat Befehl, mich zu töten? Soll ich einfach davonreiten? Dann sagte ich mir, daß Ihr mich vermutlich nicht töten würdet – selbst nicht, wenn Ihr Befehl dazu hättet. Wenn er wollte, daß ich sterbe, hätte er Culhwch geschickt.« Plötzlich begann sie heiser zu knurren und beugte die Knie, um Culhwchs Humpeln nachzuahmen.
»Culhwch hätte mir die Kehle durchgeschnitten«, sagte sie, »und es sich sicher nicht zweimal überlegt.« Sie lachte; ihre frisch wiedergewonnene gute Laune kam wieder hervor. »Arthur hat sich also nicht genau ausgedrückt.«
»Nein, Lady.«
»Dann ist dies also Eure Idee, Derfel?« Mit einer Geste umfaßte sie das weite Gelände.
»Ja, Lady«, bekannte ich.
»Hoffentlich findet Arthur, daß Ihr das Richtige getan habt«, sagte sie.
»Denn sonst steckt Ihr in Schwierigkeiten.«
»Ich stecke ohnehin schon in zahlreichen Schwierigkeiten, Lady«, räumte ich ein. »Die alte Freundschaft scheint dahin.«
Sie mußte die Trauer in meiner Stimme gehört haben, denn plötzlich schob sie ihren Arm unter den meinen. »Armer Derfel. Ich nehme an, er schämt sich vor Euch.«
Ich wurde verlegen. »Ja, Lady.«
»Ich war sehr böse«, gestand sie reumütig. »Der arme Arthur. Aber wißt Ihr, was ihn wieder aufleben lassen wird? Und Eure Freundschaft?«
»Das wüßte ich gern, Lady.«
Sie zog ihren Arm aus dem meinen. »Wenn Ihr die Sachsen in Grund und Boden besiegt, Derfel, das würde Euch Arthur zurückbringen. Ein Sieg! Schenkt Arthur den Sieg, und er wird uns seine alte Seele zurückgeben.«
»Die Sachsen, Lady«, warnte ich sie, »sind bereits auf halbem Weg zum Sieg.« Dann erzählte ich ihr, was ich wußte: daß die Sachsen im Osten und Süden frei wüteten, daß unsere Truppen zerstreut waren und daß unsere einzige Hoffnung darin bestand, unser Heer zu sammeln, bevor die Sachsen Corinium erreichten, wo Arthurs kleine Kriegshorde aus zweihundert Speerkämpfern ganz allein auf die anderen wartete. Wie ich vermutete, befand sich Sagramor inzwischen auf dem Rückzug zu Arthur, rückte Culhwch von Süden heran, während ich selbst gen Norden reiten würde, sobald Issa mit Argante zurückkehrte. Aus dem Norden würde zweifellos Cuneglas kommen, und Oengus mac Airem würde von Westen herbeieilen, sobald ihm die Nachricht überbracht wurde, doch wenn die Sachsen Corinium als erste erreichten, war alles vorbei. Und selbst wenn wir dieses Wettrennen gewannen, gab es nur wenig Hoffnung, denn ohne Gwents Speerkämpfer waren wir an Zahl so stark unterlegen, daß nur ein Wunder uns retten konnte.
»Unsinn!« sagte Guinevere, als ich ihr die Lage erklärt hatte. »Arthur hat noch nicht einmal angefangen zu kämpfen! Wir werden siegen, Derfel, wir werden siegen!« Nach dieser trotzigen Erklärung lachte sie auf, vergaß ihre kostbare Würde und machte ein paar Tanzschritte am Wegesrand. Alles schien dem Untergang geweiht zu sein, doch Guinevere war plötzlich befreit und von Licht erfüllt, und noch nie hatte ich sie so sehr gemocht wie in diesem Moment. Plötzlich
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