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Arztgeschichten

Arztgeschichten

Titel: Arztgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Nikolajewna schickt nach Ihnen, Sie möchten gleich ins Krankenhaus kommen.«
    »Was ist denn passiert?« fragte ich und fühlte einen Stich im Herzen.
    »Eine Frau aus Dulzewo ist gebracht worden. Komplizierte Entbindung.«
    Da haben wir’s. Jetzt geht’s los! durchfuhr es mich, und meine Füße konnten die Pantoffeln nicht finden. Verdammt! Die Streichhölzer brennen nicht. Na schön, früher oder später mußte das ja passieren. Es geht nicht ein Leben lang mit Kehlkopfentzündungen und Magenkatarrhen ab.
    »Gut. Geh zurück und sag, ich komme gleich!« rief ich und stieg aus dem Bett. Draußen schlurften Axinias Schritte davon, dann klirrte wieder der Riegel. Die Schläfrigkeit war wie weggeblasen. Hastig, mit zitternden Fingern zündete ich die Lampe an und warf die Kleider über. Halb zwölf… Was mo chte sie haben, die Frau mit der komplizierten Entbindung? Hm … regelwidrige Lage … zu enges Becken … Vielleicht auch noch schlimmer. Am Ende mußte ich die Zange benutzen. Ob ich sie gleich in die Stadt schickte? Undenkbar! Ein schöner Arzt, würden
alle sagen! Ich hatte auch gar nicht das Recht dazu. Nein, ich mußte es selber machen. Aber was? Weiß der Teufel. Schlimm ist nur, wenn ich den Kopf verliere, peinlich vor den Hebammen. Aber wollen erst mal nachsehen, wozu sich voreilig aufregen.
    Ich zog mich also an, hängte mir den Mantel um und lief in der geheimen Hoffnung, es würde schon alles gut gehen, durch den Regen über die klatschenden Bretter zum Krankenhaus. Im Halbdunkel vor dem Eingang stand ein Wagen, das Pferd schlug mit dem Huf auf die morschen Bretter.
    »Sie haben wohl die werdende Mutter gebracht?« fragte ich die Gestalt, die sich bei dem Pferd bewegte.
    »Ja, gewiß doch, Väterchen«, antwortete eine klägliche Frauenstimme.
    Im Krankenhaus herrschte trotz der späten Stunde geschäftiges Treiben. Im Sprechzimmer brannte zwinkernd die Lampe. In dem kleinen Korridor, der zum Kreißsaal führte, huschte Axinia mit einer Schüssel an mir vorbei. Hinter der Tür ertönte schwaches Stöhnen und verstummte. Ich öffnete die Tür und betrat den Entbindungsraum. Das weißgetünchte kleine Zimmer war von der Deckenlampe hell erleuchtet. Auf einem Bett neben dem Operationstisch lag, bis zum Hals zugedeckt, eine junge Frau. Ihr Gesicht war zu einer schmerzlichen Grimasse verzerrt, feuchte Haarsträhnen klebten an ihrer Stirn. Anna Nikolajewna, ein Fieberthermometer in der Hand, richtete in einem Esmarchschen Becher Lösung an, und die zweite Hebamme, Pelageja Iwanowna, holte saubere Laken aus dem Schränkchen. Der Feldscher stand, an die Wand gelehnt, in Napoleonpose da. Bei meinem Anblick fuhren alle auf. Die Kreißende öffnete die Augen, rang die Hände und stöhnte wieder kläglich und langgezogen.
    »Na, was haben wir denn?« fragte ich und wunderte mich, wie ruhig und zuversichtlich meine Stimme klang.
    »Querlage«, antwortete Anna Nikolajewna rasch, wobei sie weiterhin Wasser in die Lösung gab.

    »Soso«, sagte ich gedehnt und runzelte die Stirn, »na, dann wollen wir mal sehen.«
    »Axinia, dem Doktor die Hände waschen!« rief Anna Nikolajewna. Ihr Gesicht war ernst und feierlich.
    Während das Wasser floß und mir den Schaum von den rotgebürsteten Händen spülte, stellte ich Anna Nikolajewna ein paar unbedeutende Fragen, in der Art, ob die Kreißende schon lange hier sei und woher sie komme. Pelageja Iwanowna schlug die Decke zurück, ich setzte mich auf den Bettrand und tastete sacht den gewölbten Bauch ab. Die Frau stöhnte, streckte sich, krallte die Finger ins Laken.
    »Ruhig, schön ruhig, Geduld«, sagte ich, während ich die Hände auf die straffgespannte, heiße und trockene Haut legte. Nachdem mir die erfahrene Anna Nikolajewna den Befund souffliert hatte, war diese Untersuchung eigentlich überflüssig. Ich konnte untersuchen, soviel ich wollte, mehr als Anna Nikolajewna brachte ich ohnehin nicht heraus. Selbstverständlich war ihre Diagnose richtig: Querlage. Klarer Fall. Aber was nun weiter?
    Stirnrunzelnd fuhr ich fort, den Bauch von allen Seiten abzutasten, und warf verstohlene Blicke in die Gesichter der Hebammen. Beide waren ernst und konzentriert, und ich las in ihren Augen Billigung meines Tuns. Tatsächlich waren meine Bewegungen sicher und richtig, und ich bemühte mich, meine Nervosität so gut wie möglich zu verbergen.
    »So«, sagte ich seufzend und stand vom Bett auf, denn von außen war weiter nichts festzustellen, »untersuchen wir mal von

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