Ascalon – Das magische Pferd, Band 1: Ascalon – Das magische Pferd. Die Wächter des Schicksals (German Edition)
Tochter zu. »Ich würde sagen, dein mutiges Experiment von gestern Abend hatte auf ihn eine beruhigende Wirkung.«
»Danke!« Muriel grinste, holte einige Leckerli aus der Westentasche und begrüßte Ascalon, der ihr schnuppernd die Nüstern entgegenstreckte, wie einen alten Freund. »Und jetzt mache ich dich fein!«, sagte sie und ging in die Sattelkammer, um sich einen Putzkasten zu holen.
»Stört es dich, wenn ich dir dabei ein wenig zusehe?«, fragte ihre Mutter.
»Nö, gar nicht.« Mit dem Putzkasten in der einen und einem Halfter in der anderen Hand kam Muriel aus der Sattelkammer. Sie wusste, dass ihre Mutter immer noch große Sorge hatte, dass Ascalons Zuneigung zu ihr nur eine vorübergehende Erscheinung war, und konnte gut verstehen, dass sie lieber in der Nähe blieb, wenn sie den Wallach zum ersten Mal aus der Box führte.
»Du putzt ihn aber noch nicht auf dem Hof«, hörte sie ihre Mutter sagen. »Die Stalltür bleibt zu.«
»Keine Sorge.« Muriel stellte den Putzkasten ab und ging mit dem Halfter zur Box. »Ich mache das hier drinnen.« Sie deutete auf den freien Platz neben der Tür. Dort stapelten sich im Spätsommer immer die Strohballen. Jetzt, im Frühjahr, war der Vorrat schon so weit geschrumpft, dass sie die Ballen vom Heuboden holen mussten. Die obere Hälfte der Stalltür war weit geöffnet, um Licht und frische Luft hineinzulassen. Sogar ein paar Sonnenstrahlen fielen noch auf den Betonboden.
»So, Ascalon.« Muriel trat vor die Box. »Jetzt geht es los.« Sie hielt den Atem an, als sie das Halfter hob. Füttern und Streicheln waren die eine Sache, aber würde er es sich auch gefallen lassen, dass sie ihm das Halfter anlegte?
Insgeheim rechnete sie bereits damit, dass er den Kopf zurückziehen und sich sträuben würde. Aber Ascalon überraschte sie erneut. Ohne zu zucken, ließ er es zu, dass sie ihm das Halfter über Nase und Kinngrube streifte und den Karabinerhaken des Führstricks daran befestigte.
»Wunderbar!« Renata Vollmer war begeistert. »Ehrlich! Noch vor fünf Minuten hätte ich zehn Euro darauf gewettet, dass du es nicht schaffst, ihm das Halfter anzulegen.«
»Das hättest du ruhig früher sagen können.« Muriel tat, als ob sie schmollte, dann grinste sie und sagte: »Die kleine Taschengelderhöhung hätte ich mir nicht entgehen lassen.«
»Die hast du dir auch ohne eine Wette längst verdient«, antwortete ihre Mutter lachend. »Wo du jetzt schon meine Arbeit machst.« Sie stand auf und wollte auf Muriel zugehen, blieb dann aber stehen, weil Ascalon unruhig wurde und zurückwich.
»Na, da scheinen mir die Sympathien aber doch recht deutlich verteilt zu sein«, sagte sie kopfschüttelnd, wandte sich um und setzte sich wieder. »Seltsam, sehr seltsam.«
Ascalon beruhigte sich augenblicklich. Muriel wartete noch einen Moment, dann schickte sie sich an, ihn aus der Box zu führen. »Aber du bleibst da sitzen«, ermahnte sie ihre Mutter in einem Ton, als hätte sie mit ihr die Rolle getauscht.
»Ja, Mam«, murmelte Renata Vollmer gespielt geknickt, während sie beobachtete, wie Muriel Ascalon zum Putzplatz führte. Wieder benahm sich der Wallach tadellos. Er versuchte weder auszubrechen noch wehrte er sich, als Muriel begann, sein Fell mit dem Gummistriegel zu säubern.
»Das ist unglaublich«, sagte Renata Vollmer anerkennend. »Wenn man ihn jetzt so sieht, würde man niemals glauben, was für ein Biest er sein kann.«
»Er hat sicher nur Angst!«, vermutete Muriel.
»Nein!« Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Nein, Angst hat er nicht. Ich habe schon Pferde mit unterschiedlichen Ängsten behandelt, aber das hier ist etwas anderes.« Sie machte sich einige Notizen auf ihrem Schreibblock und fügte dann hinzu: »Es ist natürlich noch viel zu früh, um wirklich Rückschlüsse aus seinem Verhalten ziehen zu können, aber es deutet einiges darauf hin, dass er unglaublich sensibel auf Menschen reagiert. Und das sehr extrem. Entweder mag er sie und ist ganz brav, so wie bei dir. Oder er lehnt sie ab und benimmt sich abweisend. Je stärker die Abneigung gegen die Person oder das, was sie mit ihm machen will, ist, desto heftiger reagiert er.«
»Dann muss er sich bei Madame de Chevalier aber sehr unwohl gefühlt haben.« Muriel hielt im Striegeln inne und schaute ihre Mutter an.
»Mag sein.« Ihre Mutter nickte. »Aber dann hätten wir ein Problem.«
»Wie meinst du das?«
»Nun, wenn sein seltsames Verhalten wirklich an dem Gestüt im Elsass und dem Umgang dort
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