Ascalon – Das magische Pferd, Band 1: Ascalon – Das magische Pferd. Die Wächter des Schicksals (German Edition)
Vollmer zog erstaunt eine Augenbraue in die Höhe.
»Schlimmer.«
»Oh.« Ihre Mutter nahm die Brille ab und schaute Muriel durchdringend an. »Ich hatte bisher immer das Gefühl, dass du sehr glücklich mit unserem Gast bist. Du kümmerst dich wirklich ganz hervorragend um ihn.«
»Das bin ich auch«, räumte Muriel ein. »Aber ich wäre noch viel glücklicher, wenn ich wüsste, dass …« Ihr Blick huschte nervös vom Laptop zum Fenster und wieder zurück. Sie zögerte. Sie war gekommen, um endlich Klarheit zu haben, doch jetzt, da sie die entscheidende Frage stellen konnte, hatte sie plötzlich Angst zu sprechen. Den Blick starr auf das Laptop gerichtet, gab sie sich schließlich einen Ruck: » … wenn ich wüsste, dass er für immer hierbleiben kann.« Mit dem letzten Wort hob sie den Blick, schaute ihre Mutter an und fragte mit dünner Stimme: »Kann er?«
Ihre Mutter antwortete nicht sofort. Der Rattanstuhl knarrte, als sie sich langsam zurücklehnte und tief durchatmete. Dabei drehte sie ihre Brille gedankenverloren in den Händen. »Du bist doch schon ein großes und vernünftiges Mädchen …«, hob sie gedehnt an.
Muriel stockte der Atem. So redete ihre Mutter immer, wenn sie ihr den Grund für ein Verbot erklärte.
Nein!, dachte sie bei sich und ballte die Fäuste. Sie sagt bestimmt Nein. Die voreilige Schlussfolgerung verursachte in ihrem Innern einen solchen Aufruhr, dass sie die nachfolgenden Worte ihrer Mutter kaum mitbekam. Sie war überzeugt, die Antwort zu kennen, und tief enttäuscht, aber sie riss sich zusammen und schließlich gelang es ihr sogar, wieder zuzuhören.
» … ich so etwas mit dir viel vernünftiger besprechen als mit Vivien«, hörte sie ihre Mutter sagen. »Die Sache ist die: Madame de Chevalier will Ascalon zwar nicht zurück, aber sie will Ascalon verkaufen.«
»Verkaufen?« Muriel riss überrascht die Augen auf und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ihre Mutter war schneller und bedeutete ihr zu schweigen. »Ich weiß, was du jetzt denkst«, sagte sie. »Aber daraus wird nichts. Madame de Chevalier verlangt eine unverschämt hohe Summe für das Pferd. Ich will ganz ehrlich zu dir sein. So gern du Ascalon auch hast, ich kann, will und werde das nicht zahlen. Für das Geld könnte ich uns hier einen schönen neuen Stall bauen – verstehst du?«
Muriel wollte es nicht verstehen, nickte aber trotzdem.
»Gut. Ich habe mich also mit Madame de Chevalier beraten und Folgendes ausgehandelt: Ascalon bleibt vorerst bei uns. Sie wird für Unterkunft und Verpflegung aufkommen. Im Gegenzug gestatte ich einem Makler ihrer Wahl, das Pferd mit interessierten Kunden zu besichtigen und es ihnen vorzuführen.«
»Du … du willst ihr helfen Ascalon zu verkaufen?« Fassungslos starrte Muriel ihre Mutter an. »Das … das ist …«
» … auf jeden Fall nicht unser Pferd!« Die Stimme ihrer Mutter nahm einen strengen Tonfall an. »Sei vernünftig, Muriel«, bat sie. »Ascalon ist und bleibt für uns unerschwinglich.« Kaum hatte sie das gesagt, wurde ihre Stimme plötzlich weich und mitfühlend. »Im Vertrauen: Ich denke, es wird sehr lange dauern, einen Kunden für ein so teures und bissiges Pferd zu finden, doch das ist nicht unser Problem. Also freu dich über jeden gemeinsamen Tag, vergiss aber nicht, dass er nicht auf Dauer hier sein kann.«
Ein ungebetener Gast
Am nächsten Tag hielt der Frühling endgültig Einzug in die Wiesen und Wälder rings um den Birkenhof.
Nahezu über Nacht kletterte das Thermometer auf warme achtzehn Grad und die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel. Die Knospen der Büsche und Bäume entfalteten sich wie von Zauberhand und der Wald schmückte sich allerorten mit jungem Grün. Die Vögel sangen so laut wie noch nie und die Nächte waren so mild, dass die Pferde und Ponys des Birkenhofs sie auf der Weide verbringen konnten.
Da Ascalon sich immer noch tadellos benahm, erhielt Muriel endlich von ihrer Mutter die ersehnte Erlaubnis, mit ihm auszureiten. Beim ersten Ausritt wurde sie noch von ihrer Mutter begleitet, am Donnerstag nach der Schule ritt sie dann mit Nadine aus und am Freitag durfte sie sogar alleine losziehen, weil Ascalon so brav war. Muriel war überglücklich. Sie hatte sich die Worte ihrer Mutter zu Herzen genommen und war fest entschlossen sich die kostbare Zeit mit dem wunderbaren Wallach nicht durch trübe Gedanken verderben zu lassen. Stattdessen klammerte sie sich an die Hoffnung, dass ihre Mutter recht behielt und
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