Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
die Muriel weckte.
Sie öffnete die Augen, lag ganz ruhig und lauschte.
Nichts.
Kein Regen, kein Blitz und kein Donner. Das Gewitter war abgezogen. Auch im Haus war es ruhig. Ein kurzer Seitenblick auf den Radiowecker bestätigte ihr, was sie schon vermutete. Es war Viertel nach zwei. Sie hatte mehr als drei Stunden geschlafen.
Muriel hielt den Atem an und horchte in sich hinein.
Und wirklich: Da war es wieder. Das unbestimmte Gefühl, gerufen zu werden. Ein stummer Ruf, der von Minute zu Minute stärker wurde und sie drängte, das Haus zu verlassen. Diesmal war Muriel nicht überrascht. Nach den Ereignissen des Tages hatte sie schon damit gerechnet. Aufgeregt war sie trotzdem. Die Schicksalsgöttin brauchte ihre Hilfe. Nun würde sich zeigen, auf was sie sich mit ihrem Bekenntnis zu Ascalon eingelassen hatte.
Ihr Herz klopfte so laut, dass sie glaubte, jeder müsse es hören, als sie die Tür öffnete, die knarrende Holztreppe hinunterschlich und den dunklen Flur entlang zur Haustür huschte.
Titus hörte sie kommen, doch anders als bei ihrem ersten heimlichen Ausritt, hob er nur träge den Kopf und rührte sich nicht. Vermutlich war er nach dem langen Spaziergang am Nachmittag so erschöpft, dass er gar kein Interesse an einer Nachtwanderung hatte.
Ist mir nur recht, dachte Muriel bei sich, während sie nach ihren Sneakers griff und mit den Schuhen in der Hand hinausschlich.
Die Nacht war warm, die Luft tropisch feucht. Es roch nach Regen. Ringsumher tropfte es von den Bäumen, während die ersten Fledermäuse schon wieder auf der Jagd nach Insekten waren. Muriel schaute sich um. Der Hofplatz war ein großes aufgeweichtes Schlammfeld, auf dem sich Pfütze an Pfütze reihte.
»Mist.« Sie warf einen prüfenden Blick auf ihre Sneakers und schätzte die Entfernung zur Stalltür. Das Ergebnis war nicht gerade erfreulich. Gummistiefel wären für den Weg wohl angebrachter gewesen. Noch einmal hineinzugehen, um sich andere Schuhe anzuziehen, wagte sie aber nicht.
Muriel seufzte und schlüpfte in die Schuhe. Den Dreck würde sie Teresa morgen früh irgendwie erklären müssen, aber darüber würde sie sich später Gedanken machen.
In der Hoffnung, größere Verschmutzungen verhindern zu können, stakste sie im spärlichen Licht der Hoflaterne mit langen langsamen Schritten über den Hof – vergeblich. Als sie den Stall erreichte, waren die Sneakers bis zum Knöchel mit Schlamm verschmiert.
Ascalon bemerkte sie sofort. Er schnaubte unruhig und scharrte mit dem Huf. »Beeil dich«, schien er zu sagen.
»Ich komm ja schon.« Muriel gab den sinnlosen Versuch auf, die Schuhe im trockenen Stroh zu säubern, und trat an die Box. »Du spürst es auch, nicht wahr?«, fragte sie und strich dem Wallach sanft über das seidige Fell.
Ascalon schnaubte leise.
Muriel öffnete die Tür der Box, fasste Ascalon an den Mähnenhaaren und führte ihn zum rückwärtigen Tor, das auf die Wiese hinausführte. Dahinter lagen zwei uralte Autoreifen übereinander, die die Türflügel bei schönem Wetter offen hielten. Muriel führte Ascalon dort hin, kletterte auf den kleinen Reifenstapel und schwang sich auf seinen Rücken. Für diesen Ritt brauchte sie weder Sattel noch Trense. Ascalon kannte den Weg. Sie fühlte, wie er die Muskeln spannte, und atmete tief durch. »Lauf!«, flüsterte sie ihm zu und hielt sich an der blonden Mähne fest, als Ascalon antrabte.
Der Brunnen der Zeit
Es war stockdunkel, aber Ascalon schien das nicht zu kümmern. Mit traumwandlerischer Sicherheit trug er Muriel über die Wiese. Es war, als würde er fliegen. Seine Hufe schienen den Boden kaum zu berühren, während er gespenstisch lautlos auf das weiße Tor am anderen Ende der Wiese zuhielt.
Der Stall blieb hinter ihnen zurück. Muriel sah die alte Eiche wie den Schatten eines Riesen vor sich auftauchen, doch der Moment verging so schnell, wie er gekommen war, und schon im nächsten Augenblick waren sie daran vorbei.
Der Zaun. Irgendwo da vorn musste er sein.
Muriel klammerte sich an der Mähne fest, während sie mit angehaltenem Atem auf den Sprung wartete. Ein Teil von ihr fürchtete sich vor dem, was kommen würde. Aber die Magie des Rittes und das berauschende Gefühl des beginnenden Abenteuers waren stärker und drängten die Stimme der Vernunft zurück, die ihr zuflüsterte, dass es gefährlich werden konnte.
Sie spürte, wie Ascalon die Muskeln anspannte, presste die Lippen fest aufeinander und neigte sich leicht nach vorn. Da erhoben
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