Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
oder etwa nicht?« Diesmal war sie es, die sich unter Einsatz von Schulter und Ellenbogen an Zamná vorbeischob und sich zu Chila gesellte.
Demonstrativ setzte sie sich auf den freien Platz am Tisch, nahm sich etwas Obst aus der Schale, die auf dem Tisch bereitstand, und biss so gelassen hinein, als sei das Thema für sie beendet.
Zamná sah das anders. Mit drei Schritten stand sie neben Muriel, stemmte die Hände in die Hüften, beugte sich zu ihr herab und sagte gönnerhaft: »Du bist hier neu, da will ich Nachsicht walten lassen. Vergessen werde ich es nicht – Schwester.« Das letzte Wort kam ihr über die Lippen, als hätte es einen ekelhaften Beigeschmack.
Muriel kaute einfach weiter, als hätte sie es nicht gehört, und tat, als sei Zamná Luft für sie. Sie spürte, dass ihr Verhalten Zamná nur noch wütender machte, aber sie war entschlossen, jedem Streit aus dem Weg zu gehen.
»Du … du …« Ein Trompetensignal ließ Zamná verstummen. Die Mädchen ringsumher erhoben sich ruckartig, säuberten ihre Teller mit der Hand und stellten sie wieder auf die Tische zurück, ehe sie den Raum schweigend verließen.
Zamná wirkte unentschlossen. Es war nicht zu übersehen, dass sie den Streit zu gern noch fortgeführt hätte, andererseits schien das Trompetensignal für alle bindend zu sein. So beugte sie sich nur noch einmal zu Muriel herab und zischte ihr mit Unheil verkündender Stimme zu: »Wir sehen uns noch.«
»Diese Schlange!« Voller Abscheu blickte Chila Zamná nach, als diese den Raum verließ.
»Sie ist nicht sonderlich beliebt – oder?«, erkundigte sich Muriel kauend.
»Das kann man wohl sagen.« Chila nickte. »Freunde hat sie hier keine. Nur eine Handvoll Vertraute, die sich einen Vorteil davon erhoffen, in ihrer Gunst zu stehen. Aber das stört sie nicht. Mit geheimem Wissen und durch hinterhältige Intrigen hat sie geschickt dafür gesorgt, dass alle sie fürchten, und das genügt ihr. Sie weiß, wo wir unsere wunden Punkte haben, und setzt dieses Wissen rücksichtslos ein, um uns zu erpressen.«
»So wie eben.« Muriel nickte bedächtig.
»Genau.« Chila senkte die Stimme, beugte sich zu Muriel und flüsterte ihr zu: »Ahau versorgt ihre Familie mit Nahrung aus dem Palast. Ihre Eltern sind beide schwer erkrankt, die Geschwister noch zu klein für die Feldarbeit. Ohne Ahaus Hilfe müssten sie hungern. Wenn die Oberste Priesterin das erfährt, wird Ahau von hier ausgeschlossen. Du kannst dir vorstellen, was das bedeutet.«
Muriel nickte. »Aber du hast keine Angst vor ihr«, stellte sie fest.
»Das täuscht.« Chila seufzte. »Sie hat bisher noch nichts gefunden, womit sie mich erpressen kann, dadurch bin ich etwas freier als die anderen und kann sagen, was ich denke. Allerdings lässt sie keine Gelegenheit aus, mir eins auszuwischen. Ärgerlich, aber das ist es mir wert. Ich fürchte nur den Tag, an dem sie etwas findet, das sie gegen mich verwenden kann. Dann wird sie alles daransetzen, mich aus dem Haus der Priesterinnen zu vertreiben.«
»Das könnte sie?« Muriel nahm sich noch eine Frucht und biss hinein.
»Ja.« Chila nickte. »Ihr Vater ist ein angesehener Priester. Ihre Familie hat großen Einfluss in Tikal.«
»Jetzt verstehe ich.« Muriel legte die Frucht fort und blickte sich um. Sie waren nun allein in dem großen Raum. »Müssen wir nicht auch gehen?«, fragte sie Chila. Die Eile der anderen Mädchen war ihr noch gut in Erinnerung und sie fürchtete, dass Chila Ärger bekommen könnte, wenn sie zu spät kam.
»Nein, keine Sorge. Die Oberste Priesterin hat gestattet, dass du dich satt essen kannst, und mir aufgetragen, mich um dich zu kümmern.« Chila lächelte. »Wir haben Zeit.«
Der Bote der Unterwelt
Als Muriel und Chila in den Schlafsaal kamen, war es draußen schon stockdunkel. Muriel hatte ausreichend gegessen und dabei noch einiges über das Leben in Tikal von Chila erfahren.
So wusste sie nun, dass Ah Coyopa, der Priesterfürst, schon in jungen Jahren großes Ansehen erlangt hatte, weil er zu den wenigen Sternenkundigen gehörte, die in der Stadt lebten. Mithilfe von Rohren aus Jade und durch Sehschlitze im Gemäuer der Sternwarte beobachtete er den Himmel und es war ihm einmal sogar gelungen, eine der gefürchteten schwarzen Sonnen* vorherzusagen. Das hatte ihm großes Ansehen unter den Maya eingebracht. Später hatte man ihn dafür sogar zum Priesterfürsten von Tikal ernannt. Auch während seiner Regentschaft hatte er intensive Studien der Sterne
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