Ascalon – Das magische Pferd, Band 2: Ascalon – Das magische Pferd. Das Geheimnis der Maya (German Edition)
ganze Sache sehr peinlich und irgendwie fühlte sie sich auch ein wenig mitschuldig an dem Ärger. Um das Missgeschick wenigstens etwas wiedergutzumachen, bückte sie sich und las die Tomatenreste vom Boden auf. Dabei bemerkte sie aus den Augenwinkeln, wie das unsympathische Mädchen ihre deutlich jüngere Tischnachbarin verstohlen mit dem Ellenbogen anstieß und ihr etwas zuflüsterte. Diese riss erschrocken die Augen auf und schüttelte energisch den Kopf, aber die Ältere schien genau zu wissen, was sie tat. Nur wenige Worte, die Muriel nicht verstehen konnte, genügten. Dann hob das Mädchen verschüchtert den Arm und sagte mit dünner Stimme. »Ehrwürdige, verzeiht mir meine Unachtsamkeit. Es … es kommt nicht wieder vor.«
»Nun, darüber wirst du morgen ausreichend nachdenken können!«, erwiderte die Oberste Priesterin kühl. »Während du zehn Schalen Mais auf dem metlatl mahlst.«
»Zehn Schalen?« Das Mädchen erbleichte, widersprach aber nicht, sondern senkte nur demütig das Haupt und murmelte: »Ja, Ehrwürdige.«
»Nun, dann ist das ja geklärt.« Die Oberste Priesterin schien zufrieden. »Und jetzt beeilt euch mit dem Essen. Nicht mehr lange, dann beginnt die erste Wache der Nacht und es wird Zeit, schlafen zu gehen.« Mit diesen Worten verließ sie den Raum und ging davon.
Für eine kurze Weile herrschte im Saal atemlose Stille. Es schien, als wage keiner die Stimme zu erheben, ehe sichergestellt war, dass die Oberste Priesterin es nicht mehr hören konnte. Muriel sah, wie es in Chilas Gesicht arbeitete. Ihre Wangen waren zorngerötet. Der Blick, mit dem sie das unsympathische Mädchen bedachte, hätte töten können. Dann hielt sie es nicht mehr aus. »Was fällt dir ein, Zamná?«, herrschte sie das Mädchen an. »Hast du vergessen, wie wir unsere Gäste behandeln?«
»Sie ist kein Gast«, erwiderte Zamná trocken. »Ich weiß gar nicht, warum du dich so ereiferst. Ich habe nichts Unrechtes getan. Ahau hier«, sie deutete auf das Mädchen, das neben ihr saß und mit zusammengekniffenen Lippen zu Boden blickte, »hat die Tomate fallen lassen. Das …«
»… ist eine Lüge und du weißt es«, fuhr Chila sie an. »Glaubst du, ich habe nicht gesehen, dass du die Tomate fallen gelassen hast? Glaubst du, ich habe nicht bemerkt, dass du Ahau bedrängt hast, die Schuld auf sich zu nehmen?«
»So, das willst du also gesehen haben?« Zamná erhob sich, schob sich unsanft an Muriel vorbei und baute sich drohend vor Chila auf. »Da bist du aber wohl die Einzige gewesen.« Sie drehte sich um und blickte die anderen Mädchen nacheinander an. »Oder?«
Muriel rechnete fest damit, dass eine ganze Reihe von Mädchen Chila beipflichten würden. Zumindest die, die in den hinteren Reihen saßen, mussten auch gesehen haben, wie Zamná auf Ahau eingeredet hatte. Aber nichts geschah.
Alle Mädchen schauten weg, niemand kam Chila zu Hilfe, niemand ergriff das Wort. Das Schweigen musste für Chila schlimmer sein als ein Schlag ins Gesicht.
Muriel staunte. Offenbar besaß diese Zamná hier großen Einfluss.
»Siehst du?« Ein triumphierendes Lächeln umspielte Zamnás Mundwinkel. »Du musst geträumt haben. Niemand hat etwas gesehen.«
»Doch, ich!« Muriel wusste nicht, welcher Teufel sie ritt, sich da einzumischen. Sie wollte keinen Streit, schon gar nicht mit dieser Zamná, aber sie konnte es einfach nicht ertragen, wie sich das Mädchen aufspielte und die anderen ihrem Willen unterwarf. »Ich habe genau gesehen, dass du Ahau überredet hast, die Schuld auf sich zu nehmen.«
»So, hast du das?« Zamná wandte sich um und starrte Muriel wütend an. »Und was willst du jetzt tun?«
»Ich hebe es mir auf.« Muriel versuchte locker zu klingen, zog die Schultern in die Höhe und grinste frech. »Wer weiß, wofür es mal gut ist.«
Die Antwort schien Zamná zu verwirren. »Du willst es der Obersten Priesterin sagen, nicht wahr?«, versuchte sie Muriel in die Ecke zu drängen. »So wie die einfältige Chila da drüben, die nicht mit ansehen kann, dass die liebe kleine Ahau die Drecksarbeit für mich übernimmt.«
»Nein.« Muriel blieb ganz cool. Die Machtkämpfe der Schülerinnen gingen sie nichts an. Sie würde ohnehin nicht lange hierbleiben. Dafür, dass sie nichts in der Vergangenheit verändern durfte, war schon jetzt viel zu viel geschehen, aber das konnte sie nun nicht mehr rückgängig machen. »Ich wollte dir nur sagen, dass Chila die Wahrheit spricht. Aber das wusstest du ja auch schon vorher –
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