Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
einer ihrer Hunde. Nein, das ist nicht nett. Ich sollte so etwas nicht sagen. Aber meine Mutter muss ihr unglaublich glamourös erschienen sein, wie ein Filmstar – wenn Muriel je ins Kino gegangen wäre. Ich nehme an, sie hatte einen Fernseher.«
Ich habe keinen gesehen , dachte Jess. Als ich Muriel besucht habe, konnte ich keinen Fernseher in diesem heruntergekommenen Wohnzimmer entdecken.
Gervase redete weiter. »Sie war ganz aufgebracht, als meine Mutter wegging. Erzählte jedem, mein Vater hätte sie ermordet und irgendwo auf dem Land verscharrt.«
»Was?«
»Das hatte er natürlich nicht. Ich kann es bezeugen – ich habe meine Mutter vor weniger als einem Jahr wiedergetroffen und war mit ihr essen. Sie sieht immer noch gut aus. Wie dem auch sei, niemand außer Muriel erhob diese Anschuldigung. Mein Vater ging zu seinen Anwälten, und ich nehme an, sie brachten sie dazu, den Mund zu halten. Sie hielt den Mund. Ich nahm sie gelegentlich auf den Arm, indem ich ihr erzählte, ich wüsste, wo er die Leiche vergraben hat. Ich weiß, ich hätte das nicht tun sollen. Ich denke, als meine Mutter wegging, hat Muriel wirklich um sie getrauert.«
»Warum hat sie Ihren Vater gehasst? Nur weil Ihre Mutter ihn verlassen hat und fortgegangen ist?«, fragte Jess vorsichtig.
Offensichtlich nicht vorsichtig genug. Gervase’ Gesichtsausdruck wurde unvermittelt verschlagen. »Sie haben mit Muriel gesprochen. Sie hat es Ihnen doch bestimmt erzählt. Dad hat meine Mutter geschlagen. Nicht jeden Tag, nicht immer. Nur im Schlafzimmer, nachdem sie schlafen gegangen waren. Heute weiß ich, dass es ein Sexspiel war. Er konnte nicht, nehme ich an, wenn er sie nicht vorher geschlagen hatte. Er kam nicht in Fahrt.«
»Aber Sie wussten Bescheid? Als Kind wussten Sie Bescheid, dass er Gewalt gegen sie einsetzte?«
»Nicht warum , aber dass er es tat – ja.« Gervase kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Er war clever genug, sie nicht ins Gesicht zu schlagen. Nur auf den restlichen Körper. Ich konnte die dumpfen Schläge seiner Fäuste hören und ihre erstickten Schreie. Sie schrie in ein Kissen, damit ich es nicht mitbekam, aber ich bekam es trotzdem mit. Ich saß in meinem Schlafanzug auf der Treppe, strangulierte meinen Teddybär und wünschte, ich wäre tapfer genug, ins Schlafzimmer zu gehen und meine Mutter zu schützen. Aber ich wusste, dass ich das nicht konnte.«
»Armer Junge«, sagte Jess unwillkürlich. »Es muss eine furchtbare Last gewesen sein, die Sie ganz alleine tragen mussten.«
»Oh, glauben Sie nicht, dass ich alleine war. Muriel wusste es schließlich auch. Das Au-pair – wir hatten immer eins – hatte eine Wohnung oben unter dem Dach, damit sie nichts hörte nachts, aber ich wage zu behaupten, dass sie es auch wusste. Geräusche, und seien sie noch so leise, sind in einem Haus des Nachts leicht zu hören. Abgesehen davon gab es andere Wege, etwas zu erfahren. Die Leute wussten oder vermuteten es, aber sie sagten nichts. So ist das eben. Keines unserer Au-pairs blieb für längere Zeit.«
»Ich hatte schon mit einer Reihe von Fällen häuslicher Gewalt zu tun«, sagte Jess. »Es ist oft so, dass Außenstehende etwas vermuten. Aber sie denken, es geht sie nichts an, es ist eine Sache zwischen Ehemann und Ehefrau.«
»Da haben Sie’s. Ich werde immer glauben, dass der alte Teufel Stephen Layton Bescheid wusste, weil er ihr Arzt war. Aber er hat verdammt noch mal überhaupt nichts unternommen. Nun ja, wie dem auch sei – ich verdanke diesem Oberlangweiler Trenton, dass ich nicht tot liegen geblieben bin gestern Abend, und zu meinem großen Ärger muss ich wohl auch Stephen Layton dankbar sein.«
»Layton war gestern Abend da?«
»Er kam mit seinem Wagen vorbei und fand Trenton händeringend neben mir auf den Knien, oder so habe ich es gehört.«
»Erzählen Sie mir davon«, munterte Jess ihn auf. »Hören Sie auf, wenn Ihr Kopf schmerzt oder die Medikamente Sie benommen machen.« Sie zog ihren kleinen Rekorder hervor und legte ihn auf das Bett. »Ich nehme unser Gespräch auf, falls Sie keine Einwände haben. Fangen Sie damit an, was Sie gemacht haben, nachdem ich mich bei Ihrer Cousine verabschiedet hatte.«
»Okay.« Gervase atmete tief durch. »Nachdem Sie weg waren, unterhielt ich mich noch ein paar Minuten länger mit Serena. Nicht viel länger, weil es dunkel geworden war und ich zum Royal Oak zurückmusste, um meine Rechnung zu begleichen und mir ein neues Hotel zu suchen. Nur, dass
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