Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
sie.
»Ich hoffe, du hast dich nicht gelangweilt, Millie«, sagte er jetzt und vermied MacTavishs Glotzaugenblick. »Es tut mir leid, dass ich jeden Tag zur Arbeit und dich bei Tante Monica lassen musste. Aber du magst sie doch, oder?«
»Ja«, sagte Millie. Sie unterbrach ihr Essen, um an dem Strohhalm zu saugen, der aus ihrem Milchshake ragte. »Hat die alte Frau den Mann wirklich umgebracht?«
»Du hast es in den Nachrichten im Fernsehen gesehen, nehme ich an?«
Millie nickte begeistert. »Ich dachte, dieser Mann, dieser Gervase, hätte es getan. Aber dann hat die alte Frau versucht, auch ihn umzubringen. Bist du ganz sicher, dass dieser Mann Gervase niemanden umgebracht hat?«
»Ganz sicher, Millie.«
Gervase Crown hat eine Frau für den Rest ihres Lebens in den Rollstuhl gebracht , dachte Carter. Sein Verhalten als junger Mann hat Muriel überhaupt erst auf ihren mörderischen Weg geführt . Doch Crown hatte niemanden getötet. Er hatte Leben zerstört, einschließlich seines eigenen. Vielleicht war das Beste, was man über ihn sagen konnte, dass er niemanden vorsätzlich umgebracht hatte.
Muriel war vielleicht auch aus anderen Gründen zur Mörderin geworden. Der plötzliche Tod des tyrannischen Major Pickering war schließlich nicht zu übersehen. Man hatte ihn im Wasser treibend gefunden, mit seiner Angelrute neben ihm. Es war sicher nicht weiter schwierig gewesen, sich von hinten anzuschleichen und ihn ins Wasser zu stoßen. Das ist das ganze Geheimnis eines erfolgreichen Mordes: Niemand schöpft je Verdacht. Jedenfalls nicht, bevor es dreißig Jahre später längst keine Beweise mehr gibt und Spekulationen alles sind, was bleibt. Vielleicht hatte diese erste Tat ein Saatkorn der Zuversicht in Muriels Bewusstsein gepflanzt. Du kannst es tun und kommst damit durch. Falls sie es getan hatte, heißt das. Falls sie ihren alten Vater ins Wasser gestoßen hatte. Er musste diesen Gedanken aus seinem Kopf verdrängen. Es gibt keine Beweise, Superintendent Carter, nehmen Sie das gefälligst zur Kenntnis! , schalt er sich. Keine Beweise, keine Fakten – keine Ermittlungen. Nur in Büchern haben Ermittler die Zeit und die Mittel, längst erkalteten Spuren nachzugehen.
»Da ist Mamis Wagen!«, verkündete Millie und deutete an Carter vorbei durch die Scheibe nach draußen.
Carter wandte sich um und sah einen blauen Mazda, der in eine Parklücke rollte.
»Iss auf«, sagte er. »Wir gehen besser raus und treffen sie dort.«
»Fertig!«, verkündete Millie. Sie sprang auf die Beine, sammelte MacTavish und ihre pinkfarbene Tasche ein und trottete neben ihm her zum Parkplatz.
Carter trug ihren Koffer. Er sah Sophie aus ihrem Wagen aussteigen und spürte, wie sich zur gleichen Zeit Millies kleine Hand in seine schob. Er blickte zu ihr nach unten, und sie lächelten sich an.
»Hallo Liebling!«, rief Sophie, indem sie auf Millie zustürmte und sie umarmte. »Hi Ian. Alles in Ordnung?« Sie küssten sich zur Begrüßung keusch auf die Wangen.
»Alles bestens«, sagte er zu seiner Exfrau.
»Daddy hat einen Mordfall gelöst!«, verkündete Millie vergnügt.
»Oh, tatsächlich?« Sophies rechte Augenbraue zuckte. Es war eine Geste, an die Carter sich noch gut erinnerte.
»Es ist halt immer was los in der Welt des Verbrechens«, sagte er heiter.
»Das habe ich auch festgestellt.« Sophies Stimme war eisig.
»Aber Millie hatte viel Spaß mit Tante Monica, oder nicht?«, fragte er seine Tochter.
»Oh ja! Ich dachte, ich wüsste, wer der Mörder war. Er wohnte in einem Hotel in der Nähe von Tante Monicas Cottage. Aber er war es dann doch nicht. Es war eine alte Frau. Sie hat versucht, den Mann zu ermorden, von dem ich dachte, er wäre der Mörder. Er sah aus wie ein Mörder.« Millie zögerte kurz, bevor sie bedauernd hinzufügte: »Ich bin ihm begegnet. Aber die richtige Mörderin habe ich nicht gesehen.«
»Seien wir dankbar für kleine Gaben«, sagte Sophie.
»Sie hat alles aus den Lokalnachrichten im Fernsehen«, erklärte Carter. »Ich habe nicht mit ihr darüber gesprochen.«
»Sicher. Nun, wir müssen los. Danke, dass du dir so kurzfristig Zeit genommen hast.«
»Immer gerne. Sie ist schließlich meine Tochter.« Er hörte, wie seine Stimme hart wurde, und beeilte sich hinzuzufügen: »Viele Grüße an Rodney. War New York erfolgreich?«
»Oh ja, danke der Nachfrage. Es war die Reise wert. Rodney hatte jede Menge Meetings. Komm, Millie.«
Carter küsste seine Tochter zum Abschied auf die Stirn und
Weitere Kostenlose Bücher