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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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und mit schlohweißem Haar schritt weihevoll auf dem Fliesenweg um das Becken. Der Mann hielt ein halbkugelförmiges Kupferbecken in seinem linken Arm. Bei jedem zweiten Schritt tauchte er die rechte Hand hinein und schleuderte Spritzer einer Flüssigkeit hinab in den leeren Pool. Dabei rief er Worte, die Ash nicht verstand.
    »Weißt du, was der da treibt?«, fragte sie leise, während sie mit Parker am oberen Treppenabsatz stand. Der Mann bemerkte sie nicht, er hatte nur Augen für das Smileygesicht auf den Fliesen seines Pools.
    »Ich hab keine verdammte Ahnung«, entgegnete Parker.
    »Sieht das nur für mich so aus, als würde er seinen Pool, ich weiß nicht … weihen ?«
    »Ich werd das hier jetzt hinter mich bringen, egal wie durchgeknallt er ist.«
    Nebeneinander nahmen sie die ersten Stufen, während der Mann seelenruhig um seinen leeren Pool wanderte und aus dem Kessel die ölige Flüssigkeit verspritzte.
    »Mister Levi?«, rief Parker. »Kenneth Levi?«
    Der Mann blieb stehen. Die Kerzen beschienen sein faltiges Gesicht von unten. Er kniff die Augen ein wenig zusammen, dann fingerte er mit der freien Hand nach einer Brille in seiner Brusttasche und schob sie sich ungeschickt auf die Nase.
    Ash und Parker blieben auf halber Höhe stehen.
    Levi seufzte und stellte den Kessel am Beckenrand ab.
    »Parker Cale.« Er wischte sich die rechte Hand an der Hose ab. »Ich hab mich schon gefragt, wann du auftauchst.«

52.
    »Das ist keine Weihe«, sagte Levi, als sie neben ihm standen und in das leere Becken blickten. »Das ist ein Exorzismus.«
    »Sie exorzieren Ihren Swimmingpool?«, fragte Ash.
    »Es spukt schon ziemlich lange darin. Der Geist von Keith Richards.«
    »Keith Richards ist nicht tot«, wandte sie ein.
    Levi sah sie rätselhaft an. »Bist du sicher? Ich hab ihn in seinen schlimmsten Zeiten erlebt. Keiner überlebt das, was Keith damals getrieben hat. Das, was da heute auf der Bühne steht, ist nicht der echte Keith Richards.«
    Ash wechselte einen vielsagenden Blick mit Parker, aber keiner der beiden widersprach.
    Sie deutete auf das Gesicht im Pool. »Soll er das sein?«
    Levi blickte sie an, als hätte sie sich erkundigt, warum denn die Mona Lisa in seinem Schwimmbecken läge. »Sieht das für dich vielleicht aus wie Keith Richards? Das ist mein Totem. Mein Schutzgeist. Der Dämon Steve.«
    »Der Dämon Steve ?«
    »Wir sind es, die ihnen ihre Namen geben. Nicht alle müssen Baphomet oder Abaddon oder Behemoth heißen.« Der alte Mann zuckte die Achseln. »Ergo – Steve.«
    Parker verschränkte die Arme und sah Levi herausfordernd an. »Woher wussten Sie, dass ich herkommen würde?«
    »Von Steve natürlich. Er hat mir verraten, dass ihr meine Hilfe braucht.«
    Ash hätte schwören können, dass es mit einem Mal dunkler war als noch vor wenigen Minuten. Vielleicht hatte sie auch nur zu lange in die Kerzenflammen rund um den Pool geblickt.
    Sie schätzte Levi auf siebzig oder älter. Körperlich hatte er sich gut gehalten, nur lag ein dichtes Netz aus Falten um seine Augen. Sie waren hellblau und zuckten flink von Ash zu Parker, seit er mit ihnen sprach. Er schien ihnen nicht übel zu nehmen, dass sie ungebeten sein Grundstück betreten hatten, und sie fragte sich, ob die Zufahrt offen gestanden hatte, weil Steve ihm dazu geraten hatte.
    »Kommt mit, um diese Uhrzeit sehe ich normalerweise noch mal nach meinen Bienen. Keith kann ich auch später noch austreiben, Mitternacht ist ohnehin ein besserer Zeitpunkt dafür.«
    Ash und Parker folgten ihm zur Treppe. Sein weißes Haar reichte bis über den Kragen seines hellen Hemdes. Kinn und Wangen sahen aus, als rasierte er sich nur einmal die Woche. Er machte den Eindruck, als bekäme er nicht oft Besuch.
    »Hat dein Vater gewusst, wo er mich finden kann?«, fragte er, während er die Stufen hinaufstieg.
    »Ich weiß es nicht von meinem Vater«, sagte Parker.
    »Von wem dann?«
    »Von einem Sukkubus.«
    Levi schaute sich zu ihnen um und strahlte. »Von denen sind immer welche aufgetaucht, wenn ich meine Zeremonien abgehalten habe, vor allem hier an der Küste. Drüben in Kalifornien wusste ich noch nichts von ihnen, mit Sicherheit gab es sie auch dort schon. Aber hier in Europa … Du liebe Güte! Diese Mädchen waren einfach nicht zu bremsen. Ich glaubte damals, ich hätte backstage alles erlebt, was unsereiner eben erleben konnte, aber ich hatte ja keine Ahnung. Ich dachte mir, na gut, das hier ist Frankreich, das Land der Liebe, da sind die Frauen

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