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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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irgendwas gefeiert werden. Kaum ein Abend, an dem man nicht das Gefühl hat, der Dritte Weltkrieg sei ausgebrochen.«
    Während es über ihnen krachte und glitterte, erreichten sie das Haus. Auf der Terrasse mit dem Springbrunnen blieb Levi stehen und wartete ab, bis der Lärm des Feuerwerks ein wenig abebbte.
    »Ich bin der Überlebende einer vergangenen Ära«, sagte er. »Eine Menge andere haben es nicht geschafft. Viele meiner Freunde von damals haben nicht mal die Siebziger überstanden. Ich hab das Zeitalter des Wassermanns in vollen Zügen ausgekostet und bin nicht daran zu Grunde gegangen. Mag sein, dass ihr mich für irre haltet, aber das kümmert mich nicht mehr. Ich hatte hier draußen mehr als dreißig gute Jahre, ohne den ganzen Mummenschanz von damals. Nur Steve und ich … und Keith, manchmal, wenn er mal wieder keine Ruhe gibt.« Als rote Feuerkugeln über Cap Ferrat aufstiegen, sah Ash, dass er lächelte. »Aber deswegen seid ihr nicht hergekommen. Ihr seid aus demselben Grund hier wie damals dein Vater, Parker. Ich kann’s dir ansehen, sogar im Dunkeln. Ihr wollt, dass ich euch einen Rat gebe.«
    »Wir wollen den Scheißkerl umbringen«, sagte Ash. »Ein für alle Mal.«
    »Habt ihr mal versucht, ihm eine Kugel zwischen die Augen zu schießen?«
    Ash und Parker sahen einander an. »Würde das denn –«
    Levi unterbrach sie mit lautem Gelächter. »Entschuldigt, war nur ein Scherz. Eine Kugel kann ihn nicht töten. Nicht mal eine Bombe könnte das.« Er rieb sich das Kinn. »Wir könnten es mit einem sexualmagischen Ritual zu dritt versuchen, aber ich denke, das ist nicht ganz das, was ihr euch vorgestellt habt.«
    Parkers Blick wurde eisig. »Vor allem sind wir nicht hergekommen, um uns von Ihnen verarschen zu lassen.«
    »Sexualmagie ist eine mächtige Waffe, wenn sie richtig eingesetzt wird. Und ein sehr starkes Lockmittel. Kreaturen wie Libatique sind immun gegen die meisten Dinge, die wir ihnen antun könnten, aber dagegen … Nun, sagen wir, es wäre ein Weg.«
    »Welche gibt es noch?«, fragte Ash.
    »Meist tragen diese Wesen die Saat ihres Untergangs schon in sich.«
    »Und das heißt?« Parker hatte sich ungeduldig ein paar Schritte von ihnen entfernt und war bis zum Rand der Terrasse gegangen. Durch die Bäume blickte er hinaus auf das dunkle Meer.
    »Sie sind der Katalysator ihres eigenen Verderbens«, sagte Levi. »Stellt euch vor, ihr wärt Bienen. Ihr lebt nur dafür, Honig zu produzieren. Was aber wäre, wenn ausgerechnet Honig das schlimmste Gift für euch wäre? Ein winziger Tropfen könnte euch töten. Wie würdet ihr damit umgehen? Was würdet ihr tun?«
    Ash wollte etwas darauf erwidern, aber jemand anders war schneller.
    »Als Erstes«, sagte eine Stimme aus dem Dunkel zwischen Haus und Hang, »würde ich alle vernichten, die davon wissen und mein Geheimnis gegen mich verwenden könnten.«
    Trotz seines Alters reagierte Levi flinker als Ash oder Parker. Es war, als hätte ihn jemand schon zwei Sekunden früher gewarnt. Er fuhr herum und rannte zwischen den wehenden Vorhängen der Terrassentür ins Haus. »Lauft weg!«, rief er noch, dann war er verschwunden.
    Aus den Schatten löste sich eine Silhouette und wollte ihm folgen, aber ein strenger Ruf hielt sie zurück. »Nein! Um ihn kümmere ich mich persönlich!«
    Die Gestalt änderte ihre Laufrichtung und kam auf Ash zu. Als wieder Feuerwerk den Himmel erleuchtete, sah sie das Gesicht. Auf den ersten Blick hätte es Guignol sein können – die gleiche gebogene Kaspernase, das vorgewölbte Kinn –, aber dann wurde ihr klar, dass der Körper ein anderer war. Diese Kreatur war kleiner als Guignol, breiter gebaut und er hatte das schulterlange graue Haar von Royden Cale. Sein Hemd und seine Hose waren fleckig, darüber trug er einen langen Mantel. Er stank nach einem Gemisch aus chemischen Duftstoffen und verfaulten Essensresten. Als er sich bewegte, wurde unter seinem Kragen ein waagerechter Schnitt sichtbar.
    »Dad?«
    Innerhalb von Sekunden war Cale heran, stieß Ash zur Seite und wollte sich auf seinen Sohn stürzen.
    »Hau ab! Versteck dich!«, rief Parker, drehte sich um und rannte auf die Treppe zu, die auf die unteren Ebenen des Parks hinabführte.
    Als Cale gegen Ash prallte, wurde sie gegen das steinerne Becken des Springbrunnens geschleudert. Die ganze Zeit über war sie davon ausgegangen, dass er in der Villa ums Leben gekommen war. Und vielleicht stimmte das sogar. Dieses entsetzliche Ding, das Parker jetzt von

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