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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Ausschau nach Levi. Sie wusste nicht, ob Libatique ihr folgte, horchte auf seine Schritte, hörte stattdessen aber das Klirren eines Schlüsselbunds. Das Geräusch kam aus einem Gang, der seitlich aus der Halle führte.
    »Mister Levi?«
    Sie bog in den Korridor, als gerade das Licht ausging. Am anderen Ende fiel eine Tür zu. Die Wände schimmerten im schwachen Schein, der aus der Eingangshalle hereinfiel: Dutzende Rahmen mit Schallplatten. Viel Gold und sicher eine Menge Platin.
    Sie ließ das Licht aus und rannte im Halbdunkel den Gang hinunter. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass es zu beiden Seiten keine Türen gab, nur die eine ganz am Ende. Falls sie verschlossen war, saß sie in der Falle.
    »Ashley …«
    Libatiques Stimme, draußen in der Halle.
    »Ashley, lauf nicht weg vor mir …«
    Er klang anders als auf der Terrasse, ganz sanft, fast säuselnd. Sie fragte sich, ob sein Flüstern nur in ihrem Kopf existierte.
    »Mister Levi!«, rief sie. Libatique schien ohnehin zu wissen, wo sie war. Kein Grund mehr, leise zu sein.
    Fast wäre sie gegen die Tür geprallt, so finster war es an diesem Ende des Korridors. Sie stieß die Türklinke nach unten und presste sich gegen das Holz. Aber Levi hatte tatsächlich abgeschlossen.
    »Machen Sie die Scheißtür auf!«
    »Ashley …«
    Sie fuhr herum und sah Libatique am Ende des Flurs, ein tiefschwarzer Umriss. Er hatte sich den Stock über die Schulter gelegt und bewegte sich seltsam leichtfüßig, fast vergnügt, wie einer der tanzenden Schornsteinfeger aus Mary Poppins .
    Schlagartig wurde ihr todschlecht.
    »Levi, verdammt!« Sie wandte sich wieder der Tür zu und hämmerte dagegen. »Lassen Sie mich rein!«
    »Verrat ist so ein scheußlicher Zug an euch Menschen«, sagte Libatique und kam näher. »Wäre ich bei eurer Schöpfung beteiligt gewesen, ich hätte mich dafür eingesetzt, ihn durch Verlässlichkeit zu ersetzen.« Er legte sich den Stock hinterm Nacken über beide Schultern und hielt ihn dort fest, während er weiterging. »Aber man kann nicht überall zugleich sein, nicht wahr?«
    »Levi!«
    Auf der anderen Seite erklang das Klimpern der Schlüssel. Ein Schnappen im Schloss. Im nächsten Augenblick gab die Tür nach.
    Ash schlüpfte durch den Spalt und konnte noch erahnen, wie Libatique hinter ihr heranhuschte, blitzschnell, als triebe ihn ein Sturmwind den Gang herab auf sie zu.
    Levi schlug die Tür zu und drehte den Schlüssel. Die Innenseite war mit dicken Lederpolstern als Schallschutz bezogen.
    »Wo ist dein Freund?«
    »Noch draußen … irgendwo.« Sie durfte jetzt nicht darüber nachdenken, sonst würde die Angst sie lähmen.
    Hastig folgte sie Levi eine Treppe hinunter. Hier war das Licht eingeschaltet. An den Wänden hingen weitere Auszeichnungen und gerahmte Schallplattencover im bunten Design der Siebziger.
    »Ashley …«, erklang es wieder in ihrem Kopf.
    Levi schien es auch zu hören. Er lief noch schneller. »Wir schließen uns in meinem Studio ein.«
    »Gibt’s da einen zweiten Ausgang?«
    »Ein bisschen spät, um sich darüber Gedanken zu machen, oder?«
    Levi bog um eine Ecke, Ash blieb hinter ihm. Sie durchquerten einen Aufenthaltsraum mit Sesseln und Sofas. Überall hingen Konzertplakate längst vergessener Tourneen, dazwischen Fotos, die einen faltenlosen Kenneth Levi an der Seite von Mick Jagger, Jimmy Page und einem sehr jungen Ozzy Osbourne zeigten.
    Er deutete auf eine weitere Tür. »Dort hinein!«
    Hinter ihnen erklang ein heftiges Scheppern, als im Erdgeschoss die Kellertür aufflog. Dass Libatique nicht einfach hindurchgehen konnte wie ein Geist, registrierte Ash zwar, aber es stimmte sie kaum hoffnungsvoller.
    Sie kamen in einen kurzen Flur. Die Tür auf der rechten Seite stand offen, dahinter befand sich ein Raum mit gigantischen Mischpulten voller Regler und Knöpfe. Durch ein breites Glasfenster war das eigentliche Studio zu sehen.
    Levi warft die Flurtür hinter ihnen zu, drehte den Schlüssel im Schloss und schob zwei armbreite Eisenriegel davor. Als er Ashs fragenden Blick bemerkte, sagte er: »Manchmal war es nötig, sturzbetrunkene Musiker davon abzuhalten, die Technik kurz und klein zu schlagen. Meist dann, wenn sie nicht mehr in der Lage waren, ihre Gitarren zu halten.«
    Er zog sie den Flur hinunter in den Aufnahmeraum, ein holzverkleidetes Zimmer mit dickem Teppich, zahlreichen Mikrofonen und Kästen voller Anschlüsse für die Instrumente.
    Levi verschloss auch diese Tür mit einem Schlüssel von seinem

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