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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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von Angesicht zu Angesicht erklären. Nicht durch Fernsehkameras und Bildschirme. Nicht per Handy oder SMS. Und schon gar nicht durch Chimena, die ihn doch nur an die Hand nehmen würde wie einen reuigen Büßer, so wie sie es schon getan hatte, als er noch ein Kind gewesen war. Teures Porzellan zerbrochen? Chimena war an seiner Seite. Eine Scheibe eingeworfen? Mit einer Hand las sie die Scherben auf, während sie mit der anderen verhinderte, dass er sich aus dem Staub machte. Schon damals hatte sie ihn niemals selbst bestraft und doch dafür gesorgt, dass er sich seiner Schuld und seinem Vater stellte. So oft, bis das Eingeständnis einer Niederlage und das Gesicht seines Vaters untrennbar zueinandergehörten.
    Ein einzelnes Auto fuhr um den Kreisverkehr und verschwand in der Nacht. Parkers Blick wanderte erneut zum dunklen Eingang des Fußgängertunnels. Er fühlte sich beobachtet. Aber vielleicht würde sich auch dieser Anflug von Verfolgungswahn gleich wieder legen. Spätestens wenn er schlief.
+ + +
    Am Morgen erwachte er von einem Klicken.
    »Ash?«
    Durch das Fenster drang Lärm herein. Parker setzte sich auf. Ein neues Polaroidfoto lag auf dem Tisch; es zeigte ihn zusammengerollt auf dem Sofa. Er stellte sich vor, dass sie gelächelt hatte, während sie auf den Auslöser drückte.
    Rundum hatte sie mit Filzstift winzige Buchstaben auf den weißen Rand des Fotos geschrieben: Nichts anfassen, nichts verändern, nichts mehr verzaubern. Dieses Foto zerstört sich in dreißig Sekunden selbst. Oder nicht. Hab ein schönes Leben.
    Hatte er etwas verzaubert?
    Er legte das Foto zurück auf den Tisch und bemerkte, dass Ash sich beim Fotografieren im Bild über dem Sofa gespiegelt hatte. Zu sehen war kaum mehr als ihr Umriss, die klobige Kamera verdeckte ihr Gesicht. Die Tatsache, dass sie beide auf dem Foto waren, berührte ihn auf unerwartete Weise, und als er es in die Hosentasche schob, tat er das nicht nur, damit es nicht in der Wohnung zurückblieb. Er nahm es mit als Erinnerung.
    Das Klicken, das ihn geweckt hatte, war das Geräusch der Haustür gewesen. Also war sie fort. Kurz erwog er, ihr hinunter auf die Straße zu folgen, um ihr zu danken. Aber dann sagte er sich, dass sie darauf wohl keinen Wert legte, sonst hätte sie ihn geweckt.
    Er streckte sich, während er in die Küche ging. Der Kühlschrank war leer, sie hatte alles mitgenommen. Dass sie sich darauf verlassen hatte, dass er nichts in der Wohnung veränderte, erfüllte ihn mit einer seltsamen Wärme. Womit hatte er sich ihr Vertrauen verdient? Bestimmt nicht mit seiner Geschichte über die immer junge Chimena. Wieso ging sie nicht davon aus, dass ihm die Regeln der Unsichtbaren gleichgültig waren?
    Es sei denn … sie hatte ihm einen Bären aufgebunden. Dann gab es keine versteckten Foren im Internet, keinen Geheimbund rücksichtsvoller Einbrecher, die nie etwas mitnahmen und sorgsam jedes Haar auflasen. Es gab nur Ash. Ein einsames, verletztes Mädchen, das sich so gut es eben ging allein durchsschlug.
    Er fuhr herum und eilte zur Wohnungstür, riss sie auf, wollte ihr hinterherlaufen – aber da stand sie vor ihm, ein wenig außer Atem, mit Schweißperlen auf der Stirn.
    Wäre dies einer der Filme gewesen, die ihm regelmäßig angeboten wurden, dann wären sie sich jetzt in die Arme gefallen, hätten einander geküsst und nur innegehalten, damit er einen lockeren Spruch vom Stapel lassen konnte.
    Stattdessen sagte sie wutentbrannt: »Fick dich, Parker Cale! Was für eine gottverdammte Idiotenscheiße geht da draußen ab?«
    »Äh«, machte er nur mäßig locker. »Bitte?«
    Weiter unten im Treppenhaus erklangen Stimmen und Schritte. Ash drängte ihn zurück in die Wohnung und warf die Tür hinter sich zu. »Heute schon aus dem Fenster geschaut? Ein Übertragungswagen vom Fernsehen, ein Haufen Paparazzi, dazu eine Horde heulender Fans.«
    Parker stürmte fluchend ins Wohnzimmer und schob den Vorhang beiseite. »Irgendwer aus der Nachbarschaft muss uns gestern Abend gesehen haben.« Offenbar hatte derjenige nichts Besseres zu tun gehabt, als die halbe Londoner Presse aufzuscheuchen. Wahrscheinlich hatte er dafür schon vor dem Frühstück ein paar Hundert Pfund kassiert.
    Ash warf wütend ihren Rucksack auf den Sessel. »Passiert dir so was öfter?«
    Er fingerte sein Handy aus der Hosentasche und bestellte ein Taxi. »Ist in ein paar Minuten hier«, sagte er, nachdem er das Gespräch beendet hatte. Ein Wunder, dass Chimena noch nicht aufgetaucht

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