Asche und Phönix
Darf ich?«
»Nur zu.«
Mit den Männern im Schlepptau ging sie zur Beifahrertür und öffnete sie gerade weit genug, um sich hineinzubeugen. Sie schirmte die Tennistasche mit ihrem Körper ab und zog den Reißverschluss zu. Dann hob sie die Tasche heraus und ließ sie betont lässig neben ihren Beinen baumeln.
Einer der Männer warf einen prüfenden Blick darauf. Das abgegriffene Ding musste ihr gehören. Jemand wie Parker ließ sich damit gewiss nicht in der Öffentlichkeit sehen.
»Rufen Sie mir ein Taxi?«
»Mister Cale bittet Sie zu gehen.« Und so wie er das letzte Wort betonte, stand außer Frage, dass er gehen meinte. Royden Cale ließ sie mit einer Beiläufigkeit von seinem Besitz entfernen, mit der andere mal eben den Müll rausbrachten.
Ihr Blick suchte die Fenster der Holzfassade ab, aber hinter keinem war Parker zu sehen. Sie gehörte nicht hierher. Sie gehörte nicht einmal in dieses Land.
Ein Wachmann wies zur Auffahrt. »Bitte.«
Einen Moment lang spielte sie ernsthaft mit dem Gedanken, Cale die Bullen auf den Hals zu hetzen. In der Villa würden sie eine gehörige Menge Marihuana finden, womöglich noch anderes.
»Miss«, sagte er schärfer, »es wird Zeit.«
Sie nickte, schob den Rucksack zurecht und umfasste den Griff der Tennistasche fester. Die Waffe darin schlug gegen ihr Bein, als wollte sie sich in Erinnerung bringen.
Zu dritt machten sie sich auf den Weg zum Tor. Dort tippte einer der beiden einen Zahlencode ein. Mit einem Surren öffneten sich die stählernen Flügel nach innen und gaben den Blick frei auf den Waldweg und die Paparazzi, die sofort zur Stelle waren.
Ash durfte jetzt keine Schwäche zeigen. Sie trat über die Eisenschwelle und ließ die Blitzlichter von sich abprallen wie von einem Spiegel. Hinter ihr schloss sich das Tor. Niemand sagte Auf Wiedersehen.
Die Reporter folgten ihr ein Stück den Weg hinab und fotografierten sie bei jedem Schritt. »Ist es wahr«, fragte einer, »dass du Zimmermädchen im Trinity Hotel warst, als du Parker begegnet bist?« Und ein zweiter rief: »Die sagen, dass du auch schon in anderen Hotels gearbeitet hast. In allen hat es Diebstähle gegeben. Weißt du irgendwas darüber?«
Das war schneller gegangen, als sie befürchtet hatte. Erhobenen Hauptes lief sie weiter und ignorierte alle Fragen. Als sie weder auf Heuchelei noch auf Drohungen einging, gaben die Männer schließlich auf. Mit abfälligen Bemerkungen zogen sie sich zu ihren Klappstühlen zurück. Die Cales waren wichtiger, und falls einer von beiden die Villa verließ, wollte das keiner verpassen.
Ash ging weiter und bog um die nächste Kurve. Als sie sicher war, dass niemand sie mehr sehen konnte, schaute sie sich noch einmal in alle Richtungen um, dann huschte sie nach links in den Wald. In einem weiten Bogen machte sie sich auf den Rückweg.
29.
Je tiefer sie ins Dickicht eindrang, desto deutlicher erkannte sie, dass die Trockenheit verheerende Folgen hatte. Abgestorbene Äste knackten unter ihren Füßen, die Blätter an den Büschen waren braun. Kränkelnde Korkeichen schienen vor ihr zurückzuweichen, als fürchteten sie, allein die Nähe eines Menschen könne sie in Brand setzen. Doch sobald Ash über die Schulter blickte, hatte sich das Unterholz wieder geschlossen. Es schien den Fremdkörper wie einen Krankheitsherd in seiner Mitte einzukapseln.
Ganz in der Nähe hämmerte ein Specht. Die Stimmen der Paparazzi hallten durch den Wald; die Männer mussten sich vor dem Tor zu Tode langweilen. Offenbar setzten sie gerade ein Kartenspiel fort, das Ashs unrühmlicher Abgang unterbrochen hatte. Dabei machten sie sich vermutlich über das Groupiemädchen lustig, das von den Cales in Windeseile an die Luft gesetzt worden war.
Sie hielt Ausschau nach Kameras in den Bäumen, fand aber keine. Es war hell, die Sonne schien durch die knorrigen Kronen. In einiger Entfernung taucht der Zaun auf. Spätestens dort lief sie Gefahr, von der Überwachung erfasst zu werden. Darum bog sie scharf nach links und glitt parallel zum Zaun durch das Unterholz, bis vor ihr wieder die Lichtung in Sicht kam. Die Paparazzi saßen unweit vom Tor, etwa zwanzig Meter von ihren Motorrädern entfernt. Die beiden Maschinen standen im Schatten, eine schwarze Yamaha und ein älteres Modell von Mitsubishi. Die Männer waren in ihr Spiel vertieft. Einer nahm einen Schluck aus einem Flachmann.
Ash trug noch immer ihren Rucksack mit der Polaroidkamera, dem Fernglas und ein paar Kleidungsstücken,
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