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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ein wenig, aber hoffentlich nicht so sehr, dass die Männer es bemerkten.
    »Du da! Hol die beiden Laptops her!«
    »Einen Scheiß werd ich tun!«
    »Wirst du. Wetten?«
    Nach einigem Hin und Her ging er zu der Stelle, an der er mit seinen Kollegen Karten gespielt hatte. Dort sammelte er fluchend die Laptops auf.
    »Das iPad auch!«, rief Ash.
    Er gehorchte und kam zurück.
    »Leg sie oben drauf!«
    Die drei begannen, auf Französisch miteinander zu streiten. Die beiden anderen beschimpften jenen, der die Sachen geholt hatte.
    »Haltet den Mund!« Ashs Stimme klang eine Spur belegt. »Leg alles auf das andere Zeug! Mach schon!«
    Die Laptops und das Tablet landeten auf den schnapsgetränkten Kameras und Mobiltelefonen.
    Stimmen am Tor. Zwei oder drei Wachleute redeten miteinander.
    »Zurück zu den anderen!«, befahl sie dem Mann, der die Computer gebracht hatte. Dann feuerte sie einmal auf den Haufen am Boden. Im ersten Moment geschah nichts. Dann aber schoss eine Stichflamme empor, der Alkohol entzündete sich, und sofort stank es ätzend nach brennendem Kunststoff.
    Die drei Männer lamentierten wie Klageweiber. Ash bewegte sich rückwärts über die Lichtung, bis sie das Motorrad erreichte. Sie konnte es nicht starten, ohne die Waffe aus der Hand zu legen, und selbst dann war noch fraglich, ob sie nicht am nächsten Baum landen würde.
    Die Paparazzi standen hinter dem Scheiterhaufen ihrer Ausrüstung, beleidigten Ash und einander, kamen aber nicht näher. Da beschloss sie, dass sie das Risiko eingehen musste. Sie sicherte die Schrotflinte und schob sie in die Gepäckbox. Drehte den Schlüssel herum, drückte auf den Anlasser.
    Unter ihr erwachte die Maschine zum Leben.
    Schweiß lief ihr in die Augen. Sie blinzelte ihn fort und gab Gas.
    Niemand war überraschter als sie, dass sie nicht abgeworfen wurde. Dass sie den Motor nicht abwürgte. Dass sie tatsächlich einmal alles richtig machte. Alles, bis auf diese eine Sache. Sie war jetzt keine Diebin mehr, sondern eine bewaffnete Räuberin. Vor Gericht bedeutete das einen Unterschied von fünf, sechs Jahren.
    Ihre Erfahrung mit Motorrädern beschränkte sich auf ein paar Runden durch die Seitenstraßen von East London, und auch das nur, weil sie sich dazu hatte drängen lassen. Zudem waren es ältere Modelle gewesen, die leichter zu beherrschen waren. Diese Yamaha fühlte sich dagegen wie eine Mondrakete an.
    Als sie die Maschine auf den Waldweg lenkte, stand über der Lichtung eine Qualmsäule wie ein schwarzer Flaschengeist. Sie hätte gern noch einmal nach hinten geblickt, um zu sehen, was die Paparazzi unternahmen und ob sich am Tor etwas tat. Aber sie musste sich ganz darauf konzentrieren, nicht geradewegs ins Gebüsch zu fahren.
    Ein aberwitziges Hochgefühl überkam sie, ein Adrenalinschub zum Schreien und Füßetrampeln. Sie wurde mutiger, gab Gas und bog um die erste Kurve. Außer dem Lärm der Maschine hörte sie nichts mehr. Auch der Gestank des Feuers blieb mit dem Gekeife der Männer zurück.
    Vielleicht schaffte sie es bis ans Meer, ehe die Polizei sie stellte. Oder es gelang ihr, in einer leeren Wohnung unterzutauchen, bis etwas Gras über die Sache gewachsen war.
    Und dann? Sie wollte Parker wiedersehen.
    Zur Not auch im Zeugenstand.

30.
    Parker schlug mit einem Stuhl auf die Türklinke ein. Als weder Holz noch Messing nachgaben, stürmte er mit dem Möbelstück zu einem der großen Fenster und schleuderte es mit aller Kraft gegen die Scheibe.
    Der Stuhl prallte vom Sicherheitsglas ab und federte zurück auf Parker zu, der gerade noch unter wilden Flüchen ausweichen konnte. In seiner Wut packte er einen zweiten Stuhl vom Konferenztisch, holte aus und warf auch ihn gegen das Fenster. Das Ergebnis war das gleiche.
    Alle Fensterriegel im Haus waren mit Schlössern gesichert; meist lagen die dazugehörigen Schlüssel irgendwo im Raum, aber der Wachmann, der ihn eingesperrt hatte, musste sie zuvor eingesteckt haben. Kochend vor Wut rutschte Parker mit dem Rücken an der Wand hinunter und blieb mit angezogenen Knien am Boden sitzen.
    Draußen ertönte ein Schuss.
    Aufgeschreckt sprang er hoch, stürmte zur Tür und hämmerte dagegen. Niemand antwortete.
    Ein zweiter Schuss.
    Parker dachte an Libatique und Guignol. Dann an Jäger draußen im Tal. Erst zuletzt an Ash, weil es rational betrachtet unmöglich war, dass sie damit zu tun hatte. Sein Vater hatte sie wohl kaum erschießen lassen.
    Aber Automatikwaffen, wie die Wachleute sie trugen, klangen

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