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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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plötzlich über einen Satanskult!«
    »Dein Vater hat wahnsinnige Angst. Er verschanzt sich hinter seiner Wachmannschaft wie ein kolumbianischer Drogenboss. Gestern am Telefon klang er noch nicht so panisch, oder? Eben hat er dir nicht mal mehr Vorwürfe gemacht!«
    Sein Vater hatte einen Pakt geschlossen und ihn gebrochen. Aber warum tauchte Libatique ausgerechnet jetzt wieder auf? Was hatte ihn vorher davon abgehalten? Chimena mochte eine Hürde gewesen sein, aber offenbar keine unüberwindliche – dafür hatte Guignol sie zu leicht aus dem Weg räumen können. Also war da noch etwas anderes gewesen, das seinen Vater all die Jahre über vor Libatique beschützt hatte. Nur was? Hatte es tatsächlich mit diesem Orden der Hekate zu tun?
    »Das Haus auf dem Berg«, sagte er, »das ist nur irgendeine Ruine.«
    »Und die beiden Sicheln vorhin auf dem Fenster?«
    »Hat er auf dich den Eindruck gemacht, als ob er wüsste, was er da tut? Er hat vor der Scheibe gestanden wie ein Kind, das einen Schneeengel malt.«
    »Er ist besessen von alldem. Siehst du das denn nicht?«
    »Vielleicht sollten wir einfach die Polizei rufen.«
    »Und was willst du denen sagen? Dass deine Assistentin zu Staub zerfallen ist? Dass dich ein Kerl mit Kaspernase verfolgt? Und dass dein Vater einen Pakt geschlossen hat mit … irgendwas? Als Hippie, 1969? Die werden da drinnen einmal tief durchatmen und riechen, was ich gerochen habe.« Sie schüttelte den Kopf. »Vergiss es.«
    »Na gut«, sagte er. »Ist ja auch nicht so, dass wir hier gerade viel anderes tun könnten.«
    Sie fingerte an den Lederbändern und Kettchen um ihren Hals und zog schließlich einen der Anhänger hervor, hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger und betrachtete ihn. Ein fünfzackiger Stern – ein Pentagramm wie auf dem Buch, über das sie eben noch gelacht hatte.
    »Für alle Fälle«, sagte sie und legte das Symbol außen auf ihre Bluse.
    Er hätte sie gern in den Arm genommen. Weil sie das alles hier ernst nahm. Weil sie ihn ernst nahm und nicht nur die Marionette seines Vaters in ihm sah wie der Rest der Welt. Aber da trat sie an ihm vorbei und deutete am höchsten Quaderblock des Hauses hinauf. Pflanzen wucherten dort oben über ein Geländer.
    »Ist das eine Dachterrasse?«
    Parker lächelte. »Willst du sie sehen?«

27.
    Ash justierte den Feldstecher. »Das ist weiter weg, als ich dachte.«
    »Von der Straße aus führt ein Weg durch den Wald hinauf«, sagte Parker. Sehr dumpf, aber vernehmlich bellten noch immer die Hunde. »Wahrscheinlich ist er mittlerweile ziemlich zugewuchert.«
    Die beiden blickten über das Geländer der Dachterrasse nach Süden. Fingerdicke Ranken hatten sich durch die Metallstäbe gewunden, in ihren Blättern raschelten Insekten. Die quadratische Plattform war mit Bangkirai ausgelegt, das sich unter jahrelanger Sonneneinstrahlung grau gefärbt hatte, genau wie mehrere Teakmöbel.
    Parker war früher gern hier heraufgekommen, weil es der einzige Ort war, an dem niemand ihn störte. Sein Vater hatte seit jeher eine Abneigung gegen die Terrasse. Hier oben, drei Stockwerke über dem Erdboden, hatte Parker seine erste Zigarette geraucht und beschlossen, dass er ohne leben konnte. Auch Alkohol hatte er zum ersten Mal probiert, während er über das Geländer in die Ferne geblickt hatte, wieder mal allein, mit einer Flasche Bourbon, die er aus der Hausbar hatte mitgehen lassen. Damals war er dreizehn gewesen.
    Ash war noch immer damit beschäftigt, die Schärfe einzustellen. »Allzu viel kann man nicht erkennen.«
    »Darf ich mal?«
    Sie reichte ihm das Fernglas und sah blinzelnd zum bewaldeten Hang hinüber. »Ist das da der Weg?« Sie deutete auf eine braune Schlangenlinie, die gestrichelt wie auf einem Bastelbogen herab ins Tal führte. Immer wieder verschwand sie zwischen den Bäumen, tauchte auf und wurde wieder unsichtbar.
    Parker schüttelte den Kopf. »Der alte Hauptweg ist kürzer, von hier aus kann man ihn nicht sehen. Der da liegt weiter östlich. Er markiert die ehemalige Grundstücksgrenze.« Er setzte den Feldstecher an die Augen, stellte ihn ein und suchte auf der Bergkuppe das Mondhaus. Orientierungslos wanderte sein Blick über den Wald und kahle Felsflächen, ehe er fündig wurde. Ash hatte Recht: Die Ruine war kaum noch zu erkennen, Laub und Buschwerk verbargen einen Großteil des Mauerwerks. Parker erinnerte sich an ein halb zerfallenes Gebäude, kaum mehr als ein paar Wände und ein Dach aus Tonziegeln. Heute schaute

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