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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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stiegen als dunkle Wolken aus den Bäumen auf; es sah aus, als hätten die Schatten die Flucht aus dem Tal ergriffen.
    Und noch etwas war anders als zuvor. Ash brauchte einen Moment, ehe sie erkannte, was es war.
    Das Hundegebell war verstummt.

32.
    Eingesperrt im Konferenzraum hörte Parker den Schuss. Dann schwiegen die Tiere in ihren Zwingern. Ihm war klar, dass die Einsätze bei diesem Spiel schlagartig verfielfacht worden waren.
    In Wahrheit hatte sein Vater nie versucht, Libatique von hier fernzuhalten – zumindest nicht während der letzten Tage. Er hatte weder die Security aufgestockt noch die Polizei über seine Befürchtungen informiert. Er hätte hundert Wachleute bezahlen können, um das Tor und die Zäune zu sichern, hätte eine ganze Söldnerarmee auf den Dächern der Villa und hinter jedem Baum im Wald stationieren können. Es hätte ihn nicht mehr als ein Telefonat und einen Bruchteil seines Vermögens gekostet.
    Stattdessen hatte er gewartet. Hatte sich in seinem Atelier verkrochen und gemalt, die Haushälterin fortgeschickt und die reguläre Wachmannschaft geopfert.
    Und er hatte Parker hergelockt.
    Eigentlich ist es Libatique, der dich braucht.
    Gleich nach diesem Satz war das Netzsymbol aus dem Display seines Handys verschwunden. Sein Vater musste den Störsender in Gang gesetzt haben, den er früher oft benutzt hatte, um Geschäftspartner während harter Verhandlungen von ihren Beratern abzuschneiden. Es brauchte kaum mehr als einen Knopfdruck, um den Sender auf dem Dach zu aktivieren und alle Handys im Umkreis einer halben Meile unbrauchbar zu machen.
    Parker konnte nichts tun, als in diesem gottverdammten Konferenzraum die Wände hinaufzugehen. Er kochte vor Wut, aber alle Versuche, die Tür einzuschlagen oder das Schloss mit Stuhlbeinen aufzubrechen, waren fehlgeschlagen.
    Er hatte seine Medikamente zuletzt in London genommen, am Sonntagabend, bevor er sich auf den Weg zur Premiere am Leicester Square gemacht hatte. Jetzt war es Dienstagnachmittag, er war übermüdet von einer Nacht ohne Schlaf und der langen Fahrt. Er selbst nahm kaum wahr, wenn die Symptome zurückkehrten, und davor fürchtete er sich. In London hatte er in Ashs Beisein achtlos eine stark befahrene Straße überquert; so etwas kam auch nach Einnahme der Medikamente gelegentlich vor. Ohne sie konnte es jedoch passieren, dass er in eine seiner selbstzerstörerischen Phasen abrutschte. Dann kam er vielleicht auf die brillante Idee, das Sicherheitsglas der Fenster mit seinem Gesicht einzuschlagen.
    Die Untätigkeit, zu der er verdammt war, bot den perfekten Nährboden für seine Anfälle. Die Tatsache, dass er nicht wusste, was aus Ash geworden war, machte ihm außerdem zu schaffen. Er musste schnell hier heraus. In seinem Badezimmer befand sich ein Vorrat an Tabletten.
    Hoffentlich war Ash längst über alle Berge und in Sicherheit. Falls ihr etwas zugestoßen war, trug sein Vater die Schuld daran. Er hatte sie hinauswerfen lassen. Er war es, der sie –
    Schritte auf dem Korridor. Jemand kam näher.
    Jemand, der rannte.
    Parker sprang auf und hämmerte gegen die Tür. »Hey! Dad? Bist du das?«
    »Mister Cale? Hier ist Craig. Vom Wachdienst.«
    »Können Sie mich rauslassen? Haben Sie einen Schlüssel?«
    Es rumorte im Schloss. »Deshalb bin ich hier.«
    Parker wich ungeduldig einen Schritt zurück. Die Tür wurde geöffnet. Er hatte das Gefühl, wieder durchatmen zu können, so als wäre ihm hier drinnen allmählich der Sauerstoff ausgegangen.
    Craig war ein irischstämmiger Amerikaner, einen halben Kopf größer als Parker, mit kurz geschnittenem rotblondem Haar. Aus dem Kragen seines schwarzen Overalls schaute am Hals eine alte Brandnarbe hervor, geformt wie eine Flamme. Parker wusste nicht, woher sie stammte, aber er vermutete, dass kein Unfall beim Barbecue dahintersteckte.
    »Waren Sie im Kontrollraum an den Monitoren?« Er drängte an dem Mann vorbei auf den Korridor.
    Craig nickte. »Ihr Vater –«
    »Ich weiß. Wo ist er jetzt?«
    »Keine Ahnung. Vor ein paar Minuten ist im Anbau der Strom ausgefallen. Ich hab gleich nach den Sicherungen geschaut, aber es sieht aus, als hätte jemand mit einem Hammer darauf eingeschlagen.«
    »War er das? Mein Vater?«
    Craig wich seinem Blick aus. »Von uns kennt keiner den Code des Störsenders. Ich dachte, Sie hätten vielleicht eine Ahnung, was hier vorgeht. Die normalen Telefone sind ebenfalls tot. Und keiner der anderen meldet sich. Steve, Grant und Jackson waren unten am

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