Asche und Phönix
Parker wäre am Tor, aber er war nirgends zu sehen.
Jetzt bezweifelte sie erst recht, dass jemand die Polizei gerufen hatte. Um sicherzugehen, folgte sie mit dem Fernglas dem Weg, der durch den Wald zur Serpentinenstraße führte. Sie konnte nur einzelne Abschnitte erkennen, hier eine Kurve, dort das Stück einer Geraden.
An der Mündung zur Straße bewegte sich eine Staubwolke auf die Villa zu. Noch verbargen mehrere Biegungen sie vor den Blicken der Männer am Tor. Ash ließ das Fernglas sinken. Selbst mit bloßem Auge war die Wolke nicht zu übersehen. Ein Fahrzeug näherte sich dem Anwesen der Cales.
Noch ein Blick nach hinten. Atemloses Schwanken. Sie war nach wie vor allein im Raum.
Mit dem Feldstecher hielt sie nach Blaulicht Ausschau. Nichts. Erst als der Wald sich auf einem längeren Stück lichtete, konnte sie überhaupt einen Wagen ausmachen. Er war weiß und zu groß für ein Polizeifahrzeug. Doch ehe sie Details erkennen konnte, war er schon wieder hinter Bäumen verschwunden.
Kurz schwenkte sie wieder zur Villa. Der Streit am Tor ging weiter. Hundert Meter entfernt war der dritte Wachmann noch immer zum Haus unterwegs und telefonierte.
Ashs Blick glitt zurück zu der Staubwolke und dem weißen Wagen. Jetzt konnte sie erkennen, dass es sich um eine Limousine handelte, eine dieser besonders großen, protzigen. Ein Rolls-Royce vielleicht.
Am Tor hatte man inzwischen bemerkt, dass ein Wagen näher kam. Einer der Wachleute löste sich aus der Gruppe und ging über die Lichtung auf die Mündung des Waldweges zu.
Die weiße Limousine bog um die letzte Kurve.
Die Hunde bellten wie tollwütig.
Der Wachmann hob eine Hand, damit der Fahrer abbremste. Einen Moment sah es aus, als würde die Anweisung befolgt. Die Limousine wurde langsamer und die Staubwolke sackte in sich zusammen – um sich schlagartig aufzublähen, als der Wagen wieder beschleunigte.
Ash stand der Mund offen, als sie mitansah, wie der Wagen den Wachmann rammte. Er wurde nach hinten geschleudert, prallte der Länge nach auf den Rücken, hob den Kopf und wurde in der nächsten Sekunde überrollt. Er verschwand wie eine Fliege, die am Kühler zerquetscht wurde.
Das Fahrzeug hielt auf die Gruppe am Tor zu. Die Paparazzi und der zweite Wachmann erstarrten.
»Lauft schon weg!«, flüsterte Ash.
Zwei Fotografen wurden erfasst und über die Lichtung geschleudert. Der dritte konnte zur Seite springen, während der Wachmann versuchte, sich jenseits des Tors in Sicherheit zu bringen. Die Limousine überfuhr ihn von hinten.
Der Wagen bremste und blieb zwischen den offenen Torflügeln stehen. Die Fahrertür flog auf und eine Gestalt sprang heraus, groß und dürr und ungeheuer schnell. Ash hätte Guignol auch im Schatten der Bäume erkannt, aber in der Nachmittagssonne gab es keinen Zweifel. Eine Klinge glänzte in seiner Hand.
Mit insektenhaften Schritten tänzelte er von einem Verletzten zum nächsten, beugte sich zu ihnen hinab und zog ihnen das Messer über die Kehlen. Zuletzt holte er den flüchtigen Fotografen ein. Sekunden später war keiner der Männer mehr am Leben.
Ash hockte wie gelähmt im Fenster des Mondhauses und starrte durch das Fernglas. Guignol trug denselben dunklen Anzug wie in Lyon, so eng geschnitten, dass sein dürrer Körperbau noch deutlicher zur Geltung kam. Seine Fratze war kaum zu erahnen, ein totenbleicher Fleck über seinen Schultern.
Der dritte Wachmann musste den Lärm gehört haben und war auf dem Weg zurück zum Tor. Noch lag die letzte Biegung vor ihm. Er konnte nicht sehen, was geschehen war.
Guignol schleifte zwei Paparazzi an den Armen hinter das Tor, als er bemerkte, dass jemand sich näherte. Augenblicklich rannte er los.
Ash ließ den Feldstecher sinken. Ein Schuss peitschte unten im Tal. Sie musste nicht hinsehen, um zu wissen, wer als Sieger aus dieser Begegnung hervorging. Erst als sie hörte, dass der Motor angelassen wurde, blickte sie noch einmal durch das Fernglas zum Tor. Die Toten waren von der Lichtung verschwunden. Das Einzige, was sich dort bewegte, war die dünne Rauchfahne der schmorenden Handys und Computer.
Die Limousine preschte die Auffahrt entlang. In der Villa hielten sich jetzt noch vier Menschen auf. Zwei Wachleute. Royden Cale. Und Parker.
Ein Windstoß jagte aus dem Tal herauf, fegte am Mondhaus entlang und ließ Ash taumeln. Im letzten Moment hielt sie sich fest und spürte, wie die Briese ihre schweißnasse Haut kühlte.
Die Limousine erreichte den Vorplatz. Vögel
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