Asche und Phönix
umsonst war. Der Mord an seiner Frau. Der Verrat an seinem Sohn. Alles zwecklos. Denn nun gehört er Libatique, gehört ihm ganz mit Haut und Haaren.
Das Teppichmesser beendet sein Leben schnell und effizient. Libatique packt ihn am Kinn und sieht in seine Augen, wartet, bis er tot ist – und dann erweckt er ihn wieder. Damit macht er ihn zu seinem Sklaven. Macht ihn zu seinem neuen Guignol.
Er befreit Royden von den Fesseln und sieht zu, wie er sich vom Stuhl erhebt. Er ist nicht so unbeholfen, wie Libatique befürchtet hat. Es scheint, als hätte er kaum Schmerzen. Und er bewegt sich nicht steif, wie man es erwarten könnte. Bald wird er noch agiler und kräftiger werden, es dauert immer eine Weile, aber nicht sehr lange. Libatique ist zufrieden mit seinem neuen Knecht.
Er gibt Befehle, und weil er die Gedanken des Toten lesen kann, weiß er, dass Royden sie alle versteht und getreulich befolgen wird. Auch das besänftigt ihn, macht ihn für einen Moment fast gut gelaunt.
Libatique geht hinüber ins Bad und zieht sich die stinkende Kleidung aus. Er duscht und trocknet sich mit frischen Handtüchern ab. Im Ankleidezimmer probiert er einen neuen Anzug, diesmal schwarz, wegen der Flecken, die er bald haben könnte. Er sitzt nicht wie maßgeschneidert, aber gut genug. So endet ein elender Tag auf angenehme Weise. Zuletzt sucht er saubere Sachen für Royden zusammen, für den Fall, dass jemand einen Blick in den Wagen und auf seinen Fahrer wirft. Hysterie bei Passanten ist ein Ärgernis, und Libatique möchte sie gerne vermeiden. Zudem wird Royden bald nach Verwesung riechen. Duftstoffe helfen dann, aber nicht ewig. Auch Guignol hatte sein Verfallsdatum überschritten.
Als Libatique hinaus auf den Vorplatz tritt, hat Royden seine ersten Aufgaben schon erfüllt. Jetzt schleppt er Benzinkanister ins Haus und zum Waldrand. Die meisten sind Ersatzkanister aus der Garage, elf Stück insgesamt. Aber es wird wohl reichen, denkt Libatique, denn große Teile des Hauses sind aus Holz und die Wälder so trocken wie Pergament.
Er lehnt sich gegen die Limousine – Royden hat das Blut von der Haube gewaschen – und reimt ein kurzes Gedicht, das er mit einer hübschen Melodie vertont. Die Verse drehen sich um ihn selbst, so wie alles, das er erschaffen kann. Derweil holt Royden mit einem der Wagen aus der Garage alle Toten vom Tor und schafft sie zusammen mit den Leichen aus dem Haus hinab in den Keller. Etwas Benzin hat er aufgehoben, um sie damit zu tränken. Libatique bedauert, dass er nur jene wiederbeleben kann, die einen Pakt mit ihm geschlossen haben, abgesehen von niederen Kreaturen wie Tieren. Dummerweise zählen dazu nicht die Wachleute; sie hätten eine schlagkräftige Truppe abgegeben. So aber muss er sich mit Royden Cale zufrieden geben.
Die Toten im Keller brennen zuerst, dann Teile des Hauses. Zuletzt steckt Royden den Wald in Brand. Das wird ein Durchkommen zur Villa lange unmöglich machen und die meisten Spuren zerstören. Mit ein wenig Glück steht bald das ganze Tal in Flammen, vielleicht tagelang, und niemand wird erfahren, was hier geschehen ist.
Er macht es sich auf der Rückbank bequem, als Royden die Limousine zum Tor lenkt. Rauch und Funkenflug folgen ihnen durchs Tal. Ein loderndes Fanal erhellt bald den Himmel, der Wald brennt wie Zunder und der weiße Rolls-Royce fährt vorneweg und lässt das Feuer hinter sich.
Libatique komponiert ein kurzes Requiem, das ihn an sich selbst erinnert, und beobachtet seinen neuen Chauffeur im Spiegel. Schon bald wird er auch ihn zu einem Kunstwerk formen, wird ihn zu einem Abbild seiner selbst machen, so wie er es mit Guignol und dessen Vorgängern getan hat. Libatique kann nicht anders, das ist sein Schicksal, und jedes neue Werk zehrt von seiner Kraft. Auch deshalb muss er den Jungen finden und den Pakt vollziehen. Er braucht ihn, um weiterzuleben, um Schöpfer großer Kunst zu werden, um sich zu erheben über die Talente all jener, die er an sich gebunden hat.
Die Nacht erglüht, als der Rolls-Royce über die Bergstraße gleitet, das Requiem ist vollbracht und Libatique genießt die Gegenwart.
Dritter Akt
stars
43.
Die Küstenstraße schlängelte sich in engen Kurven durch die Nacht. Ash und Parker fuhren nach Osten, durch eine Felslandschaft aus zerklüfteten Steinformationen. Auf diesem Stück der Côte d’Azur, zwischen Fréjus und Cannes, fielen die Hänge des Esterelgebirges steil zum Meer hin ab. Die offene See lag rechts der Straße, schimmernd
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