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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nicht mal erahnen. »Sie haben Besuch mitgebracht«, stellte er fest. Er musste längst an ihren Schritten und dem Schlagen beider Autotüren erkannt haben, dass sie zu zweit waren.
    »Guten Abend.« Ash trat auf ihn zu und nahm die Hand, die er ihr zur Begrüßung entgegenstreckte.
    »Godfrey, das ist Ash«, sagte Parker.
    »Freut mich. Sind Sie hungrig? Ich könnte noch was kochen.«
    »Machen Sie sich so spät keine Umstände«, entgegnete Parker. »Wichtiger ist erst mal eine Dusche.«
    Godfrey führte sie ins Haus. Gleich hinter dem Eingang lag ein großer Wohnraum, dessen Panoramafenster auf das dunkle Meer hinauswies. Ash sah ihre Spiegelbilder wie Seeungeheuer über das Wasser wandern.
    Links führte eine breite Wendeltreppe in ein tiefer gelegenes Stockwerk. Demnach war Le Mépris größer, als sie erwartet hatte. Die Wände bestanden aus grobem Bruchstein, die Möbel waren schlicht und antik. Hätte man Ash vor einer Woche gefragt, wie sie sich ein Anwesen des Hollywoodstars Parker Cale vorstellte, so wären ihr als Erstes Flatscreen, Spielkonsolen und allerlei technischer Firlefanz eingefallen. Doch hier gab es nichts dergleichen, sie entdeckte nicht mal ein Festnetztelefon. Parker hatte den ursprünglichen Charme des Hauses erhalten, vielleicht auch, um einen Kontrapunkt zu der modernen Monstrosität zu setzen, die sein Vater in den Bergen errichtet hatte.
    Die einzige Abweichung vom rustikalen Stil war das gerahmte Filmplakat an der Wand neben dem offenen Kamin, ein großes Querformat. Unter dem Schriftzug Le Mépris streckte sich die blonde Brigitte Bardot bäuchlings auf einem Sandstrand aus. Auf dem Hinterteil ihres roten Bikinihöschens lag ein aufgeschlagenes Buch mit den Seiten nach unten.
    Godfrey bestand darauf, ihnen zumindest eine Kleinigkeit zuzubereiten, und Parker gab seinen Widerspruch auf. Während der Verwalter in der Küche verschwand, nahm Parker Ash bei der Hand und führte sie die Treppe hinab ins Untergeschoss.
    Hier betraten sie einen Raum mit prall gefüllten Bücherregalen. Es gab einen urgemütlich aussehenden Großvatersessel, eine Ledercouch und einen runden Sitzsack, der groß genug war, um mehreren Menschen Platz zu bieten. Jenseits einer Fensterwand lag eine beleuchtete Terrasse, größer als das Haus. An ihrem Rand stand ein weiteres Gebäude, tief genug in die Felsen eingelassen, um von der Straße aus unsichtbar zu bleiben.
    »Ursprünglich sollte das mal ein Gästehaus sein«, sagte Parker, als er ihren Blick bemerkte, »aber es hat noch nie irgendwer anders darin übernachtet als Godfrey. Es ist winzig, nur ein Zimmer mit Bad. Er schläft dort, tagsüber hält er sich meist im Haupthaus auf. Er kann hier tun und lassen, was er will. Sogar die meisten Bücher gehören ihm.«
    Ash trat an eines der Regale und sah erst jetzt, dass die Buchrücken mit Blindenschrift bedruckt waren.
    »Wenn ich nicht da bin, sitzt er abends hier im Dunkeln und liest.« Parker deutete auf drei Türen in der Rückwand des Raumes. »Das linke ist mein Zimmer, das in der Mitte das Bad und rechts ist das Gästezimmer.«
    Sie blickte wieder zur Terrasse. »Darf ich?«
    »Sicher. Ich fahr nur gerade den Wagen auf die andere Seite des Hauses, damit ihn von der Straße aus keiner sieht.«
    »Bringst du mir meinen Rucksack mit? Ich hab ihn im Auto liegenlassen.«
    Er nickte und lief die Wendeltreppe hinauf. Weder seine Schnittwunde noch die Müdigkeit schien ihm etwas auszumachen. Ohnehin bewegte er sich hier ungezwungener als in der Villa seines Vaters. Auf Ash wirkte er wie jemand, der nach langer Lungenkrankheit endlich tief durchatmen konnte.
    Sie hörte oben die Haustür schlagen und das Geklapper von Geschirr in der Küche. Die Behaglichkeit von Le Mépris umfing auch sie, sie wurde ruhiger, das Durcheinander in ihrem Kopf steuerte allmählich in geordnete Bahnen.
    Sie öffnete die Glasschiebetür und trat ins Freie. Die Tür zu Godfreys Unterkunft war nur angelehnt, drinnen brannte kein Licht. Ash ging daran vorbei zum äußeren Rand der Terrasse. Dort führten ein paar gehauene Stufen im Fels hinab zu einem Bootssteg, der in eine kleine Bucht ragte.
    Ein kleines Motorboot und ein Jet-Ski waren unter Plastikabdeckungen festgemacht. Ash ging zum Ende des Stegs. Dort konnte man über eine Metallleiter ins Wasser steigen, um in der Bucht zu schwimmen.
    Obwohl sie noch immer ihre fleckige, stinkende Kleidung trug, setzte sie sich mit angezogenen Knien an die Kante und blickte hinaus auf das

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