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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nächtliche Meer. Zwei Schiffe fuhren in der Dunkelheit aufeinander zu, Lichtpunkte an der Grenze von Wasser und Himmel, wie ein glühendes Augenpaar, das immer enger zusammenrückte. Der Wind roch nach feuchtem Gestein, nach Algen und der See.
    Sie konnte noch nicht lange so dagesessen haben, als Parker den Steg betrat. Wortlos nahm er neben ihr Platz.
    »Ich hab mir auch was zum achtzehnten Geburtstag geschenkt«, sagte sie, ohne den Blick vom Horizont zu nehmen. »Einen lila Lippenstift.«
    »Wahrscheinlich hast du den öfter benutzt als ich dieses Haus.«
    »Ist so ’ne Art Glücksbringer.«
    »Einen Glücksbringer hab ich auch.«
    »So?«
    »Ohne dich hätte ich es nie bis hierher geschafft.«
    Sie lachte leise. »Ich bringe niemandem Glück, glaub mir. Mein Vater sitzt im Gefängnis, meine Mutter will nichts von mir wissen, und diese Leute, die meine Pflegeeltern sein sollten, haben wahrscheinlich Knoblauchkränze und Kruzifixe über ihre Türen genagelt, aus Angst, ich könnte wieder bei ihnen auftauchen.«
    »Ohne dich –«
    »Das waren die Hunde, Parker, nicht ich. Die armen Viecher.«
    Nach kurzem Schweigen sagte er: »Libatique wird keine Ruhe geben, bis er mich gefunden hat. Vielleicht sollte ich weiterfahren und du bleibst hier bei Godfrey.«
    »Ganz bestimmt.«
    »Aber hier bist du in Sicherheit.«
    Erstmals, seit er sich zu ihr gesetzt hatte, sah sie ihn an. »Glaubst du wirklich, ich bin hier, weil es hier so sicher ist?« Plötzlich war es ganz leicht, die Wahrheit in Worte zu fassen. »Ich bin wegen dir hier, Parker. Und wenn du weiterfahren willst, dann komme ich mit.«
    Lächelnd legte er eine Hand in ihren Nacken und zog sie sanft zu sich heran.
    »Meine Haare kleben«, flüsterte sie.
    »Und wie.«
    »Wir sehen beide echt übel aus.«
    Dann berührten sich ihre Lippen und ihre Zungenspitzen tasteten verspielt umeinander. Er küsste, wie man das von einem Filmstar erwarten durfte; nicht alles war ein Spezialeffekt. Ash schob langsam eine Hand durch den Schnitt in seinem Sweater und strich über seinen nackten Rücken. Sie konnte seine Wirbel, die Schulterblätter, jeden einzelnen Muskel spüren. Kurz lösten sich ihre Lippen voneinander, aber sie ließ ihre Hand, wo sie war, und seine Finger streichelten ihre Wange.
    »Es ist noch lange nicht vorbei«, sagte er. »Das weißt du, oder?«
    »Ich hoffe, es fängt gerade erst an.«
    Ihre Küsse wurden heftiger. Als sie die Augen öffnete, blickte sie in seine und sah, dass sich das Dunkel der letzten Stunden zurückgezogen hatte.
    Draußen auf dem Meer begrüßten sich die Schiffe mit einem Signal und entfernten sich wieder voneinander.
    »Ich geh duschen«, sagte sie und stand auf. Lächelnd streckte sie ihm die Hand entgegen. »Und du?«
    Er umschloss ihre Finger mit festem Griff und erhob sich. Auf halbem Weg über die Terrasse fiel sein Sweater zu Boden, gleich darauf ihre Bluse. Seine Fingerspitzen strichen um ihre Brustwarzen, wanderten weiter über die Gänsehaut an ihrer Taille hinab zum Bund der Jeans.
    Sie waren nackt, ehe sie das Haus erreichten, glitten unter den heißen Strahl der Dusche und rieben sich gegenseitig das Blut vom Körper. Als das Wasser um ihre Füße klar wurde, drehte Parker Ash um, presste sich sanft gegen ihren Rücken, küsste ihren Nacken und legte die Hände auf ihre Hüften. Sie lehnte sich mit ausgestreckten Armen gegen das Glas und sah mit einem Lächeln zu, wie ihre bebenden Finger Streifen durch den Wasserdampf auf den Scheiben zogen.

44.
    Stunden später, um zwei Uhr nachts, saßen sie noch immer mit Godfrey am Tisch.
    Sie hatten eine halbe Ewigkeit nicht mehr geschlafen, aber Parker fand den Gedanken an Schlaf fast ein wenig beängstigend. Als könnte er morgen früh aufwachen, und alles wäre nur ein Traum gewesen, all das Schlimme, aber auch das Gute. Er konnte die Augen nicht von Ash abwenden, nicht nachdem sie sich angezogen hatten, nicht beim Essen und auch jetzt noch nicht. Sie trug einen seiner Pullover, der ihr viel zu groß war. In der Kammer neben der Küche rumorte die Waschmaschine.
    »Ich hab so was zum ersten Mal gegessen«, sagte sie zu Godfrey und liebäugelte mit einer weiteren Portion des Eintopfs, den er aus Auberginen, Artischocken, Zucchini, Tomaten und Kartoffeln gezaubert hatte. Die Unmengen Knoblauch musste man bis zur Küstenstraße riechen können.
    »Ich fürchte, mir ist der Rosmarin ausgegangen«, sagte er, freute sich aber merklich über ihr Kompliment.
    »Ich esse sonst nur

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