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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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und sich umsahen. »Wie viel Sex kann man haben, damit man zwei Wochen lang das Zimmer nicht verlässt und einem das hier erspart bleibt?«
    Parker grinste, als läge ihm eine Bemerkung über gestern Abend auf der Zunge – als er mit einem Mal aschfahl wurde. Ash folgte seinem Blick, sah jedoch nur einsame junge Frauen und Männer am Tresen und in den schmalen Nischen.
    »Was ist?«, fragte sie leise.
    Aber da packte er sie schon an der Hand und zog sie aus der Bar zurück auf den Gang. Am Ende des Korridors befand sich der Ausgang zur Terrasse. Die Helligkeit blendete sie.
    »Hey, was –«
    »Draußen«, sagte er knapp und lief mit ihr auf die offene Tür zu. Bevor sie ins Freie traten, zog er sich das Basecap noch tiefer ins Gesicht. Der vordere Teil der Terrasse war überdacht, aus Lautsprechern erklang Calypso-Musik. Hier bot sich ihnen ein ähnliches Bild wie in der Hotelbar: Zwischen den Flitterwochenpaaren saßen vereinzelte Frauen und Männer, allesamt jung, attraktiv und aufreizend gekleidet. Sie schienen die Umgebung über den Rand ihrer Cocktailgläser aufmerksam zu beobachten.
    So gelassen wie möglich schlenderten die beiden zum Rand der Terrasse. Ein paar Schritte weiter führte eine Treppe zu einem schmalen Strand hinunter. Rechts und links war das Gelände von rotbraunen Felswänden eingefasst, hinter ihnen erhob sich acht Stockwerke hoch das Hotel. Der einzige Weg zurück zum Wagen führte durch das Gebäude.
    Parker blieb stehen, mit dem Rücken zur Terrasse, so dass von dort aus niemand sein Gesicht sehen konnte. Sie waren jetzt weit genug von den übrigen Gästen entfernt, um ungestört reden zu können.
    »Was ist los?«
    Er antwortete erst nach kurzem Zögern: »Ich muss dich doch nicht mehr davon überzeugen, dass es Wesen gibt, die wie Menschen aussehen, aber keine sind, oder?«
    »Noch mehr von Libatiques Sorte? Wie viele?«
    »Nicht wie er. Aber auch keine Menschen.«
    »Sondern?« Vor ihrem inneren Auge erschienen Gestalten in schwarzen Umhängen mit Stehkragen, weiß geschminkten Gesichtern und schlecht sitzenden Vampirgebissen.
    Parker blickte aufs Meer hinaus. Mehrere Pärchen fuhren mit Tretbooten durch die Bucht.
    »Sukkubi«, sagte er. »Und Inkubi.«
    Sie schwieg.
    »Nun sag schon was.« Er wandte ihr wieder das Gesicht zu, aber in seinen dunklen Brillengläsern erkannte sie nur sich selbst. Sie fand, dass sie klein aussah und zu blass für Strand und Sonnenschein.
    »Was tun die?«, fragte sie. »Ich meine, ein Sukkubus … der hat Sex mit Leuten, oder?« Wie klang das wohl, falls sie doch jemand belauschte?
    »Ja, davon leben sie. So wie Libatique vom Ruhm abhängig ist, ernähren sich Sukkubi und Inkubi von der Energie, die sie Menschen beim Sex aussaugen.«
    »Sex mit Menschen. Immerhin.«
    »Das ist kein Witz, Ash. In dem Laden hier wimmelt es nur so von ihnen. Schau dich mal unauffällig um.«
    Sie hatte im Leben noch nicht verstanden, wie das gehen sollte: sich unauffällig umschauen. Entweder man sah hin oder man ließ es bleiben.
    Ziemlich unverfroren blickte sie zu den Leuten hinüber und überschlug grob die Zahl der Gäste, die einzeln an den Tischen saßen. Acht Frauen und sieben Männer, keiner von ihnen älter als Mitte zwanzig, alle außergewöhnlich gut aussehend. Die Frauen trugen kurze Röcke, Stretchkleider oder Bikinis, die Männer enge T-Shirts, die ihre Brustmuskulatur und Oberarme betonten.
    »Die sehen aus wie –«
    »Ja«, sagte er missmutig, »wie bekannte Schauspieler und Models. Das machen sie gern. Sie sind ziemlich gut darin, sich dem Geschmack der Zeit anzupassen.«
    »Und Godfrey wusste nichts davon?«
    Er schüttelte den Kopf. »Sonst hätte er uns gewarnt.«
    »Fuck! Der da drüben neben der Palme … das bist du!« Sie lachte nervös. »Nicht du . Aber er sieht aus wie du. Nicht haargenau so, aber man könnte trotzdem meinen –«
    »Wahrscheinlich hat er heute noch keine Nachrichten gesehen, sonst würde er sich schleunigst ein neues Gesicht zulegen.«
    Ash atmete tief durch, dann hob sie beide Händflächen. »Okay. Was bedeutet das? Und wie hast du sie überhaupt bemerkt?«
    »Chimena hat mich vor ihnen gewarnt. Hundert Mal. In jeder verdammten Hotelbar, in der sie wie eine Klette an mir hing. Ihr war klar, dass es überall nur ein paar Minuten dauern würde, bis ein paar Sukkubi in meiner Nähe auftauchen würden. Und sie hatte Recht. Meistens waren sie die Ersten, weil sie keine Scheu kennen, keine Scham, überhaupt keine

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