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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Hemmschwelle.« Er hob die Schultern. »Mit der Zeit hab ich ein ganz gutes Gespür für sie entwickelt.«
    Sie starrte ihn mit offenem Mund an, dann ließ sie ihren Blick wieder über die Terrasse und den Strand wandern. »Kein Wunder, dass sie sich ausgerechnet hier herumtreiben. Diese ganzen Leute, die nichts anderes im Kopf haben als Sex. Das ist ein gefundenes Fressen für sie.«
    Parker nickte. »Wahrscheinlich führen eine ganze Menge Flitterwochen in diesem Laden schnurstracks in die Scheidung.«
    Grinsend blickte sie zu dem Parkerklon an der Palme hinüber. »Der da ist gar nicht so übel.«
    Er zog sie an sich und gab ihr einen langen, tiefen Kuss.
    »Machen die das auch so gut wie du?«, fragte sie.
    »Besser. Das sind Experten mit sehr, sehr viel Erfahrung. Die meisten von denen dürften ein paar Hundert Jahre alt sein.«
    »Und Elodie?«
    »Im ersten Moment dachte ich, sie müsste die Frau hinter der Theke sein. Du auch, oder? Aber jetzt … Ein hübsches Mädchen, das schon vor vierzig Jahren keine schwarze Messe ausgelassen hat … Godfrey hat sie eine Art Groupie genannt. Und Sukkubi sind unersättlich.«
    Ash seufzte. »Was genau tun sie mit einem?«
    »Danach fühlt man sich leer, wie ausgebrannt. Das vergeht wieder. Aber manch einer kann nicht genug davon bekommen. Das sind diejenigen, die in kürzester Zeit an ihnen zu Grunde gehen. Chimena hat behauptet, jede Stunde mit ihnen raube einem Menschen mehrere Lebensjahre. Und zwar buchstäblich. Das Leben verkürzt sich, ohne dass es einem bewusst wird – und ihres wird dafür länger. Sie stehlen ihren Opfern die Lebenszeit.«
    »In zwei Wochen kommt da was zusammen.« Mit einem Mal dämmerte es ihr. » Du warst schon mit einer von ihnen zusammen!«
    Er wich ihrem Blick nicht aus. »Ich hab eine Menge dummes Zeug ausprobiert. Das auch. Ich bin nicht stolz darauf, aber ich kann’s auch nicht mehr ändern.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein.« Auch sie wollte nicht an die Typen aus den Gangs erinnert werden, mit denen sie umhergezogen war.
    Der Parker-Doppelgänger lächelte herausfordernd zu Ash herüber. Eilig wich sie seinem Blick aus. »Das heißt, sie sind nur gefährlich, wenn man mit ihnen aufs Zimmer geht. Oder sonst wohin. Und da wir das ja nicht vorhaben –«
    Parker legte einen Finger auf ihre Lippen. »Wir brauchen einen Plan. Und wenn Elodie eine von ihnen ist, dann können wir sie nicht einfach an der Bar aushorchen wie in einem schlechten Krimi.«
    Ash klappte die Kinnlade hinunter. »Du willst das nicht wirklich tun!«
    »Einer von uns muss mit ihr allein sein, um mit ihr zu reden. Und ich glaube nicht, dass es funktioniert, wenn du das bist.«
    »Vielleicht mag sie Mädchen.«
    »Sukkubi hassen Frauen. Und Inkubi verachten Männer.«
    »Homophob sind sie auch noch.«
    »Sie werden gefährlich, wenn sie ihren Willen nicht bekommen. Ich meine, wirklich gefährlich. Sie fühlen sich uns haushoch überlegen, und wahrscheinlich zu Recht.«
    Ash deutete auf den falschen Parker unter der Palme. »Stört’s dich, wenn ich in der Zwischenzeit einen Cocktail mit ihm trinke? Ich mag sein Lächeln.«

46.
    Eine Viertelstunde später fuhr Parker mit Elodie in den sechsten Stock. Ash war auf der Terrasse zurückgeblieben. Er hoffte nur, dass sie verstanden hatte, was er versuchte. Dabei hatte er das Risiko so weit wie möglich heruntergespielt; er wollte nicht, dass sie sich mehr Sorgen als nötig um ihn machte.
    Es hatte ihn nur zwei Minuten gekostet, der älteren Frau hinter der Theke zu entlocken, welches der Mädchen in der Bar Elodie war. Offenbar war es nicht ungewöhnlich, dass sich Männer nach ihr erkundigten. Als er sich zu ihr gesetzt und die Sonnenbrille abgenommen hatte, war ihr erstes geheucheltes Interesse rasch unverhohlener Neugier gewichen. Auch sie erkannte Parker Cale. Er konnte sehen, wie in ihren Augen eine Gier erwachte, die nicht menschlich war.
    Ihre Schönheit hatte nichts mit der aufgetakelten Masche der übrigen Sukkubi gemein. Sie hatte glattes blondes Haar, das lang über ihren Rücken fiel, und sah nicht älter aus als zwanzig. Ihre Haut hatte einen rosigen Teint, ihre Augen waren dunkelblau, fast wie Tinte. Er hatte nie zuvor so eine Augenfarbe gesehen, aber er war sicher, dass sie keine getönten Kontaktlinsen trug. Abgesehen von Lippenstift und einem Hauch von Lidschatten war sie ungeschminkt, selbst im gedimmten Licht des Aufzugs gab es daran keinen Zweifel. Falls sie Ähnlichkeit mit einer Schauspielerin

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