Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Asche und Schwert

Asche und Schwert

Titel: Asche und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Clements
Vom Netzwerk:
würde ihm plötzlich etwas klar. Eine schwache und undeutliche Stimme erinnerte ihn dar an, dass die Schlacht im Wald schon Jahre zuvor stattgefunden hatte .
    Er brauchte keine Angst zu haben. Er würde nicht sterben.
    Es war nur eine Erinnerung! Es war ein Traum! Das alles geschah nicht wirklich. Er zwang sich aufzuwachen, doch noch immer kämpfte er weiter, wie gefangen in einem unsichtbaren Käfig. Denn Sura war nicht bei ihm gewesen, als diese Schlacht stattgefunden hatte, und irgendein Teil seines Traum-Ichs konnte sie nicht im Stich lassen, nicht einmal im Schlaf.
    Als nehme sie ihre Umgebung kaum wahr, stand Sura im Wald und pflückte von einem toten Baum eine Frucht, die zu dieser Jahreszeit nicht hätte da sein dürfen. Sie reichte sie ihm, und er sah, dass es ein Apfel war, der von Maden wimmelte, als ein weiterer Schwarm Pfeile durch den Wald summte.
    Er rief ihr zu, sie solle sich ducken, solle sich auf den Waldboden fallen lassen, doch stattdessen streckte sie die Arme den heranfliegenden Pfeilen entgegen. Er sah, wie sie an hundert Stellen durchbohrt wurde und ihr blutüberströmter Körper in einem Dickicht aus federbesetzten Pfeilschäften fast verschwand, als sie aufschrie und seinen Namen rief –
    Â»Spartacus!« Varros Stimme durchdrang seinen Traum.
    Â»Ich bin nicht …«, begann er benommen. Herbstliches Sonnenlicht drang durch die Bäume, die sich über ihm be wegten. Er lag auf Holzplanken in einem offenen, sich bewegenden Karren, gefesselt mit Eisenketten. Die anderen Sklaven starrten ihn einigermaßen verwirrt an.
    Â»Du hast geträumt«, sagte Varro. »Lautstark. Von schrecklichen Dingen.«
    Spartacus schüttelte den Kopf und wischte sich über die Augen.
    Â»Ich habe geträumt«, sagte er, »dass ich frei war.«
    Dazu ließ sich nur wenig sagen. Der Karren rumpelte über die Straße; die Pferde zogen ihn über die sanft auf und ab steigende Via Appia in Richtung Süden nach Neapel. Fässer voller garum  – einer Fischsauce, ohne die keine römische Küche auskam – beanspruchten einen Teil der Ladefläche; den übrigen Platz teilte sich die zusammengedrängte mensch liche Fracht.
    Es gab nicht viel zu sehen. Felder, Wälder, Hügel. Doch keiner der Sklaven, die das Land bestellten, machte sich die Mühe, einen vorbeirollenden Karren zu grüßen, und niemand beobachtete sie aus den Wäldern heraus, um ihnen aufzulauern.
    Auch zu tun gab es nicht viel. Stumm und gedankenverlo ren setzte Spartacus sich auf. Die Augen des gewaltigen Barca waren geschlossen, und seine Lider zuckten. Er träumte von den glorreichen Zeiten Karthagos. Cycnus, der haarige Galater, schwankte – irgendwo zwischen Schlaf und Wachen – mit den Bewegungen des schaukelnden Karrens hin und her. Bebryx, der das Haar straff geflochten trug und pechschwarze Haut hatte, sah hinaus in die Wälder. Als der Karren auf der Straße einige Reisende überholte, starrte er sie trotzig an, als wolle er einen Kampf provozieren. Varro trug schwer an seinen Ketten, denn er war sie nicht gewohnt. Doch obwohl er eigentlich ein freier Bürger war, konnte er nicht dagegen protestieren, denn ein freiwilliger Gladiator war ein freiwilliger Sklave und hatte kein Recht auf eine bessere Behandlung als die anderen.
    Irgendetwas stank.
    Spartacus reckte schnüffelnd den Kopf.
    Â»Vielleicht hat eines der garum -Fässer einen Riss?«, sagte Varro.
    Niemand antwortete ihm – sofern man unter einer Antwort etwas anderes verstand als das endlose Gefasel ihres Reisegefährten, eines ausgemergelten, in Lumpen gehüllten Alten, dessen Kopf mit offenen Wunden bedeckt und dessen Arme erschreckend dünn waren.
    Â»Bist du es?«, fragte er, die Augen zum Himmel gerichtet. »Bist du derjenige, auf den ich warte?«
    Auch jetzt ignorierten ihn die Gladiatoren nach Kräften, wie sie es schon den ganzen Weg über seit Capua getan hatten.
    Â»Ich hatte einen Sohn«, fuhr der Alte fort. »Ich glaube jedenfalls, dass ich einen Sohn hatte. Ich habe ihn nie gesehen. Als mein Leib noch kräftig war, zwang man mich, ein Kind zu zeugen. Ich habe das Gesicht der Frau nicht gesehen. Und ich bin ihr auch nie wieder begegnet. Doch wenn mein Samen gesund war, dann wurde sie die Mutter meines Kindes.«
    Plötzlich packte die abgearbeitete, knochige Hand Spartacus’ Arm. Die trüben Augen

Weitere Kostenlose Bücher