Asche und Schwert
fixierten den Gladiator mit unerwarteter Klarheit.
»Du darfst nicht alt werden«, sagte der Mann. »Du darfst nicht alt werden.«
»Ich bin Gladiator«, erwiderte Spartacus. »Also werde ich dieses Problem wahrscheinlich nicht haben.«
Das unverwechselbare Geräusch sich erleichternder Därme erklang.
»Bei allen Göttern!«, sagte Varro zusammenzuckend. »Das ist nicht die Fischsauce. Das ist ganz eindeutig nicht die Fischsauce.«
Der alte Mann schien nicht mitzubekommen, dass er in seinem eigenen Kot saÃ.
»Die Gracchen werden uns retten«, sagte er. »Die Brüder. Kostenloses Getreide für die Massen. Kostenloses Land für alle, die gewillt sind zu arbeiten. Kostenlose Spiele!« Er stieà ein aufgeregtes Kichern aus. »Keine Arbeit! Keine Not wendigkeit zu arbeiten! Kostenloses Getreide! Kostenlose Spiele!«
»Wer sind die Gracchen?«, fragte Spartacus.
»Demagogen. Sie sind schon lange gestorben«, antwortete Varro. »Aber erst, nachdem sie den Leuten alle möglichen Versprechungen gemacht hatten.«
»Seit wann sind sie tot?«, fragte Spartacus.
»Er dürfte noch ein Kind gewesen sein«, erwiderte Varro und deutete mit seiner von einer Eisenfessel umschlossenen Hand auf den faselnden alten Mann.
»Kostenlose Spiele!«, erklärte der Alte. »Gladiatoren und Tiere. Und der Kampf Mann gegen Mann. Kriminelle, die den ⦠den â¦Â« Er sah sich um, verstummte und sah zu den Bäumen hinüber.
Langsam rollte der Karren aus. Das Rumpeln und Knarren der Räder verstummte, und in der Stille waren nur noch einige Vögel zu hören. Der Karren stand auf der linken Seite der StraÃe, die an dieser Stelle mitten durch den Wald führte. Ãber einem Teil der Strecke hatten sich die Ãste der Bäume miteinander verschlungen. Ein wenig Herbstlaub machte sich auf in eine trügerische Freiheit und fiel wie wirbelnde Federn zu Boden. Gleich darauf schüttelte eine heftige Windbö die Zweige über dem Karren und löste einen weiteren Schwall Blätter von den Bäumen.
Die Gladiatoren hörten, wie der Aufseher von seinem Sitz kletterte und langsam nach hinten kam. Er öffnete die Lade und rümpfte die Nase angesichts des Gestanks.
»Alter Mann«, sagte er, »du hast dein Ziel erreicht.«
Spartacus spähte hinaus in den Wald, sah jedoch nichts als Bäume.
»Ich bin angekommen«, murmelte der Alte. »Ich bin angekommen.«
Rasch löste der Aufseher die Fesseln des Greises und packte ihn bei seinen ausgezehrten Armen.
»Halt! Halt!«, schrie der alte Mann, doch er fiel bereits vom Karren. Mit einem grässlichen Knacken landete er auf einem seiner Knöchel und begann zu wimmern.
»Halte deine Zunge im Zaum, oder ich schneide sie dir aus dem Mund!«, sagte der Aufseher und zerrte den Alten an den StraÃenrand.
»Mein Bein!«, rief der Greis. »Es tut weh!«
»Das ist nicht mein Problem«, sagte der Aufseher und lieà den mageren Körper los. Der alte Mann fiel in einen Haufen Zweige und Blätter, die in einer Pfütze trieben, welche vom letzten Sturm zurückgeblieben war.
»Wohin bringt er ihn?«, fragte Spartacus, aber Varro wich seinem Blick aus.
»Was soll das heiÃen â angekommen? «
»Lass mich hier nicht zurück«, bettelte der Greis und streckte dem Aufseher die Hände entgegen, obwohl dieser bereits wieder zum Karren ging. Der alte Mann versuchte, sich ebenfalls dorthin zu schleppen, indem er sich unter entsetzlichen Mühen über die Pflastersteine schob.
»Dich zurücklassen?«, lachte der Aufseher. »Ich lasse dich nicht zurück. Ich schenke dir die Freiheit!«
Der alte Mann blinzelte unsicher. Die Schmerzen in seinem Knöchel lieÃen ihn am ganzen Leib zittern.
»Ich ⦠bin ⦠frei?«
»Für den Rest deines Lebens«, sagte der Aufseher und kletterte zurück in den Karren.
Spartacus zerrte an seinen Fesseln. Er sah seine Gefährten beschwörend an, doch alle wandten sich ab.
»Sklaven müssen arbeiten«, sagte Varro traurig. »Ein Sklave, der nicht arbeiten kann, ist wertlos.«
»Aber er ist ein Mensch! «, knurrte Spartacus. »Ist es das, wofür Rom steht? Ist das eure Zivilisation? Ist das eure Gastfreundschaft?«
»Ich vermute, dass ihr euch in Thrakien um eure Alten kümmert.«
»Ja, das tun
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