Asche und Schwert
ein klagendes Heulen entstand; die Banner hinter dem Kopf schwebten fast waagerecht in der Luft.
Sura hatte ihn vor einer roten Schlange gewarnt. War es das, was sie gemeint hatte?
Die Kälte Thrakiens stach ihm in die Nase. Er schniefte und musterte die Standarten auf dem Hügel. Seine Kameraden, ebenfalls Mitglieder einer Hilfstruppe, spähten im schwindenden Licht auf der Suche nach Bogenschützen in Richtung der Drachenköpfe. Doch da waren nur die beiden metallenen Wesen und ihr typisches Heulen und ⦠ein Kampfwagen, der von zwei Pferden gezogen wurde.
»Der Anführer der Geten?«, grübelte Bronton in der Nähe und lehnte sich gegen seine Lanze.
»Nein«, sagte er. »Sieh dir nur das abgerissene Kleid an, das im Wind flattert. Sieh dir die Arme an, die sich zu einer Geste der Beschwörung heben, mit all den Talismanen, Knochen und Schmuckreifen. Es ist eine ihrer Krieger-Priesterinnen.«
Der Wind flaute ein wenig ab, und das unirdische Klagen der Hörner wurde etwas leiser, sodass für wenige Augenblicke eine menschliche Stimme vom Hügel herab hörbar wurde. Es war ein fremdartiger, an- und abschwellender Ruf wie von einem sagenumwobenen Aasvogel. Die Priesterin sprang von ihrem Wagen und tanzte auf der Hügelkuppe zu einer Musik, die nur sie hören konnte. Heftig auf dem Boden aufstampfend, wand sie sich hin und her und erflehte unsichtbare Vergeltung aus dem vielfarbigen Himmel.
»Ihre Zaubersprüche werden sie nicht retten«, murmelte Bronton. Genau in diesem Augenblick traf ihn die Axt.
Sie krachte seitlich gegen seinen griechischen Helm, prallte, ohne Schaden anzurichten, ab und landete irgendwo zwischen den Bäumen. Doch sie zeigte den Männern, dass ihnen eine Gefahr drohte, die bereits näher war als die Zauberin auf dem Hügel. Getenkrieger sprangen hinter den Bäumen hervor, erhoben sich aus Erdlöchern und schüttelten in einem Nebel aus weiÃen Flocken von Schnee überzogene Decken ab.
Er sah, wie Bronton sich umdrehte, um sich dem neuen Angriff entgegenzustellen, schrie ihm eine nutzlose Warnung zu, als sich Brontons Speer in einer Wurzel verfing, und wurde Zeuge, wie der mächtige Kämpfer langsam, viel zu langsam versuchte, eine günstige Verteidigungsposition gegenüber den heranstürmenden Geten zu finden.
Der Soldat verschwand unter einer Welle wilder, Tierhäute und Schädelmasken tragender Getenkrieger. Die thrakischen Linien waren viel zu stark aufgefächert. Die griechischen Rüstungen waren für eine Phalanx gedacht â für das Drücken und StoÃen mit einander überlappenden Schilden in den allen Griechen vertrauten Ebenen Böotiens, weit, weit entfernt von diesem kalten, chaotischen Tag und dem unebenen Gelände eines Winterwaldes.
Doch er würde sich ebenso wenig wie Bronton kampflos geschlagen geben. Er schleuderte seinen Speer gegen den Wall näher kommender Geten, schwang sein Schwert zischend durch die Luft und schrie trotzig auf. Sein erstes Opfer stürzte mit einem Kreischen nieder, sodass die nachfolgenden Angreifer über seinen zu Boden sinkenden Körper stolperten. Er erwartete die Geten mit seinem Schwert und seinem Schild, wobei er mit Letzterem seine Feinde beiseite drängte und mit Ersterem ihre düsteren Knochenmasken spaltete, sodass sich die Klinge in das weiche Fleisch darunter bohrte.
Er hörte, wie andere Thraker zum Ort des Hinterhalts eilten, und genoss das schmatzende Geräusch, mit dem Speere und Schwerter in getische Körper drangen. Voller Begeisterung nahm er wahr, wie sich das Kampfgeheul seiner Feinde in Schreie voller Schmerz und Ãberraschung verwandelte, als sich die Thraker um seine Position sammelten.
Von fern konnte er den beschwörenden Sprechgesang der getischen Zauberin hören, doch er achtete nicht darauf. Jetzt musste er sich um dringendere Dinge kümmern. Sein von zahllosen Hieben gezeichneter Schild wurde ihm vom Arm gerissen. Er packte einen getischen Krieger bei den Haaren, riss ihn zu sich heran, schlitzte ihm die Kehle auf und benutzte den Körper seines Feindes als menschlichen Schutzschild. Der Mann zuckte wild hin und her, als getische Speere seinen sterbenden Leib durchbohrten, während frisches Blut über den Körper des Thrakers strömte und ihm etwas willkommene Wärme in der kalten Schlacht verschaffte.
Die schneebedeckte Erde färbte sich rosa- und karmesinrot und
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