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Asche und Schwert

Asche und Schwert

Titel: Asche und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Clements
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wurde mit dem sich neigenden Tag immer dunkler, doch das lag nicht am Sonnenuntergang, sondern am Blut, das in Strömen floss.
    Warmer Dampf stieg vom Boden auf und schuf einen unheimlichen Nebel, als hüllten die Seelen der toten Krieger ihre lebenden Kameraden ein.
    Er kämpfte mitten in diesen unheildrohenden Schatten, doch er hatte nur Augen für die Feinde vor sich und vertraute darauf, dass seine thrakischen Gefährten ihn auf beiden Seiten vor den Geten abschirmen würden. Ihre wilden, wirbelnden Angriffe schienen langsamer zu werden, als näherte sich ihm der Feind durch Wasser. Auch seine eigenen Reaktionen verlangsamten sich. Obwohl sein Geist so schnell wie zuvor arbeitete, gelang es seinem Körper kaum noch, rechtzeitig zu reagieren. Es war, als zögen müde Ochsen einen Pflug.
    Andere Erinnerungen blitzten vor seinem geistigen Auge auf. Ereignisse an weit entfernten Orten, die lange zurücklagen.
    Sura kicherte und bespritzte ihn mit Wasser, während sie knietief im Schilf am Ufer des Flusses Istros stand, im Frühling.
    Ihre Münder, die sich aufeinander zubewegen, ihre Lippen, die sich berühren, ihre Körper nackt auf einem warmen Feld im Sommer.
    Sie strahlte vor Stolz, als er ihrem Vater den Korb mit ihrem Brautpreis reichte. Es war Herbst .
    Und dann war Sura an seiner Seite im Schnee. Das war nicht richtig. Er erinnerte sich an diese Schlacht. Er hatte als junger Mann wirklich daran teilgenommen. Seine Frau war nicht dort gewesen. Er versuchte dem Traum zu sagen, dass seine Frau nicht da sein sollte, doch sein Mund reagierte viel zu langsam.
    Die Traum-Sura tanzte fröhlich durch die Schlacht, während er sich zu ihr durchkämpfte. Sie wich Schwertern und Speeren aus, wand sich, nur spärlich bekleidet, um Baum stämme.
    Â»Komm zurück zu mir, mein Ehemann!«, rief sie und streckte ihre Arme aus, als wolle sie ihn an sich drücken. »Töte die Geten und komm zurück, auf dass wir der Welt viele neue Thraker schenken können.« Sie stieß ein klingendes Lachen aus, als die ersten Pfeile an ihrem Kopf vorbeizischten.
    Obwohl die Zeit langsamer abzulaufen schien, flogen die Pfeile wie flinke Wespen zu zweien und dreien und dann zu Dutzenden durch den Wald, wobei ihre vibrierenden, mit Federn versehenen Schäfte die kalte Winterluft mit einem bedrohlichen Summen erfüllten.
    Er wandte sich wieder der Hügelkuppe zu und sah, wie die Zauberin ihre Arme über drei Reihen von Bogenschützen ausstreckte, um in wenigen Augenblicken das Zeichen für die zweite Salve zu geben. Eine Seite ihres Gesichts schien mit Tätowierungen geschmückt zu sein, die die Form von wirbelnden und gezackten Linien hatten. Sie hob einen Arm, und der herabrutschende Ärmel enthüllte weitere Verzierungen ihrer Haut. Und dann kam die entscheidende Bewegung. Der Arm senkte sich und entfesselte eine summende, zischende Mauer des Todes.
    Die Griechen hatten keinen Sinn für Pfeil und Bogen. Bogenschützen jagten Vögel und Wild – keine Menschen. Kein echter Mann brachte einen Bogen mit in die Schlacht, weswegen die griechischen Kriegsvorbereitungen auch keine Verteidigung gegen so einen Angriff vorsahen. Griechische Rüstungen waren darauf angelegt, dem Frontalangriff einer Phalanx von Männern standzuhalten, die mit Speeren und Schwertern ausgerüstet waren. Es war nicht vorgesehen, dass sie Arme, Beine und Flanken vor feigen Fernschüssen schützten.
    Die Pfeile, die auf den Wald herabregneten, trafen die Thraker unvorbereitet. Zwar zerbrachen viele der Geschosse auf lächerliche Weise an den Helmen, verfingen sich in Helmbüschen, krachten in Bäume und prallten von Schilden ab, doch es kamen immer mehr von ihnen. Sie verdunkelten den Himmel wie ein Vogelschwarm, und ihre bloße Menge sorgte dafür, dass schließlich auch die thrakischen Kämpfer getroffen wurden: Pfeile bohrten sich in Augenhöhlen, in die schmalen Spalten zwischen den Rüstungsteilen, in Oberarme und Fußknöchel.
    Er fühlte das Brennen eines Pfeils direkt über seiner Ferse und lachte – jetzt trug er dieselbe Verletzung wie Achilles.
    Für einen kurzen Augenblick fühlte er den unvertrauten Wechsel von Sonnenlicht und Schatten auf seinen Lidern, und sein Körper schaukelte hin und her, als läge er auf einem rollenden Karren. Er hörte das Klappern der Pferdehufe auf einer Straße und zuckte zusammen, als

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