Asche zu Asche
stimmt nicht. Ich habe das getrunken, was sie mir gegeben hat. Wie ein gewöhnlicher Drogenabhängiger. Ich kann auch nicht lügen und dir erzählen, dass ich es nicht gewusst habe oder dass ich sie mochte oder dass ich ihr nur eine einzige Frage gestellt habe, die mehr war als nur ein Vorschlag. Ich weiß noch nicht einmal, wie sie mit Nachnamen heißt.“
„Aber wie konntest du das tun?“ Ich hasste es, wie meine Stimme zitterte, als ich die Worte herausschrie. Ich hörte mich an wie eine Siebzehnjährige, die sich von ihrem Freund trennt. „Wie konntest du sie so behandeln?“
„Ich weiß es nicht. Ich schäme mich. Nicht, weil du es hören willst, sondern weil ich mich wirklich schäme. Und du weißt, dass ich mich seitdem verändert habe. Aber ich kann die Vergangenheit nicht ändern, auch wenn ich es noch so gerne täte.“
Wir saßen lange schweigend da. Ich maß die Sekunden, indem ich seine Herzschläge zählte, die sich in dem stillen Raum so laut anhörten wie meine eigenen.
„Es wäre ein hübsches Kind geworden“, sagte er schließlich. „Wir zwei sind nicht unattraktiv.“
Ich lächelte, obwohl mir der Schmerz das Herz zerriss. „Ein Vampirbaby zu stillen wäre vielleicht etwas problematisch geworden.“
Er lachte in sich hinein, dann schwieg er wieder.
„Warum hat sie das getan?“, fragte ich, obwohl ich schon wusste, wie die Antwort lauten würde.
„Weil mein Vater sie darum gebeten hat.“ Cyrus klang kläglich, trostlos. „Daran habe ich keinen Zweifel.“
„Aber sie hat es noch vor dem Vampir-Neujahr getan“, erinnerte ich ihn.
Traurig schüttelte er den Kopf. „Es würde mich nicht wundern, wenn mein Vater es arrangiert hat, dass wir uns überhaupt über den Weg laufen. Er verfügt über diese Macht. Er kann jeden zu allem zwingen.“
Das stimmte. Cyrus hatte sich so verzweifelt um die Liebe und die Zuneigung des Souleaters bemüht, dass er sogar seinen eigenen Bruder tötete, um zum Zögling seines Vaters zu werden. Er hatte seine eigene Zufriedenheit und seine Menschlichkeit dafür geopfert. Cyrus hatte sogar zugegeben, dass er Jacob Seymour seine Seele überlassen würde, wenn er es von ihm verlangt hätte. Ich hatte den Souleater gesehen. Es lag sicherlich nicht an seinem Aussehen und seinem charmanten Auftreten, dass ihm so eine selbstmörderische Loyalität entgegengebracht wurde.
Da er meine Gedanken spürte, wurde Cyrus neben mir nervös. „Er ist nicht immer so gewesen, Carrie. Du hast ihn am Ende einer Fastenzeit, die ein Jahr dauerte, gesehen. Damals war er nur ein Leichnam, den ich verherrlicht habe. Mein Vater … mein Vater ist egoistisch, aber er schafft es, dass man glaubt, er habe all das verdient, was man für ihn tut. Und er ist auch dankbar. Diese Dankbarkeit ist eine Droge für Menschen wie Dahlia und mich. Für jeden, der ein Leben wie meines geführt hat.“
Cyrus schien mit etwas zu ringen. Ich spürte seine Verwirrung und seinen Schmerz durch die Blutsbande. Ihm kamen Bilder von Mouse, verquickt mit Bildern von vor langer Zeit, in den Sinn.
Ich nahm seine Hand. „Erzähl mir davon.“
Mit einem traurigen schiefen Lächeln, hob er meine Hand an seine Lippen.
„Ich werde es dir zeigen.“
Wenn wir Erinnerungen miteinander austauschten, war das eine sehr persönliche Sache zwischen uns. Wir hatten esschon früher getan, als er noch mein Schöpfer und ich sein Zögling gewesen war. Obwohl unsere Rollen jetzt vertauscht waren, fühlte es sich so normal an, tröstlich und vertraut. Es war etwas, das ich nie mit Nathan gewagt hatte. Er hatte das Aufblitzen von Erinnerungen durch die Blutsbande, die wenigen Male, die er von meinem Blut trank, gesehen, aber nie lud ich ihn ein, an meinen Gedanken teilzuhaben, wie ich es bei Cyrus getan hatte. Vielleicht vertraute ich ihm nicht. Vielleicht dachte ich, er würde mich für das, was er sah, verurteilen. Möglicherweise versuchte ich ihn vor etwas zu schützen, von dem ich glaubte, dass es ihn verletzen könnte.
Aber bei Cyrus war es mir egal. Nichts, was mir jemals widerfahren war, konnte peinlicher sein als das, was ich von seiner Vergangenheit wusste. Und nichts, was er sah, konnte ihn verletzen. Er wusste, wie sehr ich ihn hintergangen hatte. Cyrus kannte mich besser als Nathan. Vielleicht sogar besser, als ich mich selbst kannte, denn er blickte der dunklen Seite in mir ins Auge, was ich selbst vermied.
Wir lagen gemeinsam auf meinem schmalen Bett, meine Hand immer noch in seiner. „Bist du
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