Asche zu Asche
mach’s gut, Max.“
Im Motel befand sich Bella immer noch im Badezimmer.
Max ging zur Tür und klopfte leise. „Geht es dir da drinnen gut?“
Zwar war ihre Stimme durch die Tür nur schwer zu verstehen, aber er hörte, dass sie weinte. „Ich muss alleine sein.“
Klar musste sie das. „Carrie hat gesagt, dass vielleicht ein bisschen Ginger Ale helfen würde. Soll ich losgehen und dir eine Flasche besorgen? Ich meine, ich muss noch etwas Zeit totschlagen. Es wird erst in sechs Stunden hell.“
„Nein. Es geht schon. Ich muss einfach … muss mich wieder unter Kontrolle bekommen.“ Sie schniefte leise.
Max lehnte mit der Stirn gegen das Türblatt. Auf der einen Seite wollte er ihr sagen, sie solle sich nicht so anstellen wie ein Baby, auf der anderen Seite wollte er sie trösten. Sie war keine zarte Blume. Sie war Bella, die Eisprinzessin,die eiskalte Vampirjägerin, die heißeste und böseste Frau mit dem größten Sex-Appeal, die er jemals hatte ficken dürfen. Sie hatte keine Träne vergossen, als er ihr Bein in Nathans Wohnzimmer ohne örtliche Betäubung zusammengenäht hatte. Sie musste sich wirklich um etwas sorgen, dass sie so reagierte. Und Max hatte das Gefühl, dass er genau wusste, was das war.
Bella hasste es, hilflos zu sein. Um genauer zu sein, sie hasste es, wenn sie die Hilfe anderer benötigte.
Max kannte dieses Gefühl sehr gut aus eigener Erfahrung. Leute, die ihr Leben, oder vielmehr ihr Leben nach dem Tode, wie in seinem Fall, allein lebten, wollten gern von sich glauben, sie seien einsame Inseln im Meer. Wenn sie jemals die Hilfe einer Person in Anspruch nahmen, würde es vielleicht noch einmal gut gehen. Aber vielleicht war dieselbe Person beim zweiten Mal nicht mehr da. Max kannte diesen Schmerz. Und so, wie sich Bella benahm, konnte er davon ausgehen, dass auch sie dieses Gefühl kennengelernt hatte.
Dennoch konnte er nicht zulassen, dass sie allein im Badezimmer weinte. „Brauchst du etwas aus deiner Tasche? Schlafanzug oder so?“
Blöde Frage. Sie rief heftige Erinnerungen hervor, die sich bei Max in Erregung äußerten. Bella brauchte keinen Schlafanzug. Sie schlief nackt. Es war ein Wunder, dass sie überhaupt Unterwäsche trug.
„Ich habe keinen Schlafanzug.“ Von der anderen Seite der Tür hörte er ein Schniefen. „Darf ich mir ein Hemd von dir ausleihen?“
Max warf einen Blick auf seine Reisetasche auf dem Bett. „Ja, ich hole dir eins.“
„Nein, kann ich nicht das haben, was du gerade anhast?“, bat sie schüchtern, wenn sie zu etwas wie Schüchternheit überhaupt in der Lage war.
Max zupfte mit Zeigefinger und Daumen an seinem Shirt herum und runzelte die Stirn. Sie ist krank, ermahnte er sich selbst, und das war jetzt nicht der Moment, ihren skurrilen Wunsch zu hinterfragen. „Ja, klar.“
Als er sich das Hemd über den Kopf zog, öffnete sich die Tür einen Spalt. Bellas nackter Arm erschien, griff sich das Kleidungsstück und schloss dann wieder die Tür.
Kopfschüttelnd wandte sich Max seinem improvisierten Bett neben der Wand zu. Er zog sich seine Jeans aus und legte sich hin. Von der langen Fahrt war er verspannt, und hier auf dem harten Boden zu liegen, sorgte nicht dafür, dass sich sein Körper besser anfühlte. Er zog die Decke bis zur Taille – nicht dass Bella dachte, er würde sie nach ihrem Kotz-Konzert angraben wollen. Max redete sich ein, es sei eine gute Idee, heute früh schlafen zu gehen. Wenn sie das Orakel wirklich aufspürten, wäre es sicherlich gut, ausgeruht zu sein.
Als er ein Klicken hörte, wurde ihm bewusst, dass Bella aus dem Badezimmer herausgekommen sein musste. Ihr Haar, das normalerweise streng zurückgekämmt und zu einem langen Zopf geflochten war, hing ihr ins Gesicht. Max stellte fest, dass er sie noch nie mit offenen Haaren gesehen hatte, auch nicht, als sie miteinander im Bett gewesen waren. Sie schob sich einige dunkle Strähnen hinters Ohr und verschränkte die Arme über der Brust. Sein Hemd trug sie wie eine Rüstung und hielt es fest wie eine Kuscheldecke.
„Es riecht nach dir“, sagte sie leise. „Ich habe deinen Geruch vermisst.“
„Das ist …“ Er schloss die Augen. Wenn er sie nicht ansähe, wenn er nicht sah, wie verletzlich sie war, dann könnte er weiterhin auf sie wütend sein, weil sie ihn verlassen hatte. „… unheimlich.“
Nein, sie hatte ihn nicht verlassen. Das war nicht derGrund für seinen Zorn. Es war die Tatsache, wie leicht es ihr gefallen war, sich von ihm zu trennen.
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