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Aschebraut (German Edition)

Aschebraut (German Edition)

Titel: Aschebraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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Knöchel, zog ihr Bein nach vorn und dann nach oben, bis das Knie in Höhe ihres Kopfes war.
    »Sieht du?«, fragte Trent.
    Schockierend mühelos schlang sich die Frau das Bein wie eine Stola um die Schultern, während gleichzeitig ihr watteweicher Südstaatenakzent wie warmer Nebel aus den Lautsprechern von Trents Computer drang: »Ich verbiege mich auf jede Art, die dir gefällt.«
    Beinahe wäre Trent von seinem Stuhl gekippt.
    »In Ordnung, ich verstehe, was du meinst.« Brenna schnappte sich die Maus und klickte das Pausenzeichen an. »Wer ist diese Frau?«
    »Sie heißt Lula Belle.« Er sprach ihren Namen mit derselben Ehrfurcht aus, mit der eine Nonne ihren Lieblingsheiligen ansprach. »Sie ist eine Künstlerin.«
    Brenna blickte ihren Assistenten an. Er trug ein schwarzes Muscle-Shirt mit einem tiefen V-Ausschnitt und rot glitzerndem Ed-Hardy-Logo auf der Brust. Sein gegeltes Haar war zu so spitzen Stacheln aufgestellt, dass sich damit wahrscheinlich mühelos die Lackschicht von der Seite eines Busses kratzen ließ, und – als wäre das nicht bereits schlimm genug – er hatte auch noch eine neue Tätowierung: einen leuchtend roten Kussmund direkt oberhalb des linken Brustmuskels. Weshalb das, was er als Kunst bezeichnete, nicht unbedingt auch Kunst zu nennen war.
    Als hätte er Brennas Gedanken erraten, fügte er hinzu: »Eine Performance -Künstlerin. Sie stellt ihre Auftritte ins Netz. Wo man sie, das heißt natürlich ihre Auftritte, runterladen kann.«
    »Sie ist eine Netz-Nutte, ein Webcam Girl.«
    »O nein.« Er zeigte auf den Monitor. »Mit Pornographie hat das hier nichts zu tun. Ich meine, klar, die Filme gehen einem echt gut ab, aber …«
    »Aber was?«
    »Hier – ich werde es dir zeigen.« Trent verschob den Cursor und spulte den Film ein Stückchen vor. Brenna sah, wie sich der Schatten abermals verrenkte, einen Spagat hinlegte, eine Pirouette drehte, das Becken schwungvoll über seinen Kopf nach hinten warf, nach einer Rückwärtsrolle auf seinen Füßen landete, sich wie ein Star im Musical rittlings auf einen Hocker schwang, eine altmodische Colaflasche irgendwo aus der Kulisse zog, den Schattenkopf nach hinten warf, die Schattenzunge an den Hals der Flasche legte und danach die Flasche innerhalb von wenigen Sekunden ganz in seinem Schlund verschwinden ließ.
    »Nun, ich schätze, dass man das vielleicht als Kunst bezeichnen kann«, räumte Brenna ohne große Überzeugung ein.
    »Nein. Warte.« Wieder klickte er auf »Play«, und Lula Belle saß mit gekreuzten Beinen auf dem Hocker und wickelte eine Haarsträhne auf die Finger auf. »Hör zu.«
    »›… und, Lula Belle, du kennst doch diese kleinen, weichen Stellen links und rechts an deinem Kopf. Direkt neben deinen Brauen. Das sind deine Schläfen. Daddy hat sein Gewehr genommen, sich den Lauf an die Schläfe gehalten, abgedrückt, und dann ist sein Schädel explodiert.‹ Das hat meine Mama mir erzählt. Ich war damals zwölf. ›Verstehst du, Lula Belle?‹, hat sie mich gefragt, und ich hatte das Gefühl, als hätte jemand eine Fackel an mein Herz gehalten, bis es in meiner Brust geschmolzen war. Aber ich wusste, dass ich nicht weinen durfte. Weinen war mir nicht erlaubt. Mama … hat auf Tränen ungehalten reagiert.«
    Wieder klickte Trent auf Pause und sah Brenna an. »Verstehst du jetzt?«
    »Sie entblättert ihre Seele. Teilt ihre Geheimnisse.«
    Er nickte.
    »Und die Leute zahlen dafür Geld.«
    »Ja.«
    »Seltsam.« Brenna schüttelte den Kopf.
    »Tja, wahrscheinlich eher für den Colaflaschen-Trick …«
    »Seit wann ist sie verschwunden?«
    »Seit nicht ganz drei Monaten.«
    »Und der Klient?«
    »Der Auftrag ist uns weitervermittelt worden.«
    »Und von wem?«
    »Von einer anderen Detektei. Die von Lulas Manager beauftragt worden war.«
    »Und was ist das für eine Detektei?«
    »Brenna?«
    »Ja?«
    »Darf ich dich was fragen?«
    »Solange du das nicht nur machst, damit du mir keine Antwort geben musst.«
    »Ich meine es ernst.«
    »Okay.«
    Er räusperte sich kurz. »Als du Lula Belle zum ersten Mal gesehen hast … hast du dich … an was erinnert, stimmt’s?«
    »Ja.« Seltsam, dass das Wort »erinnern« so belastet sein konnte, aber für Brenna war es das auf jeden Fall. Denn seit ihrem elften Lebensjahr litt sie unter dem hyperthymestischen Syndrom, einer seltenen Störung, aufgrund derer sie sich mit sämtlichen Sinnen an jede Minute jedes Tages ihres Lebens erinnern konnte, ob sie wollte oder nicht. Wie ihr

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