Aschebraut (German Edition)
Eine mit einem Heiligenschein versehene Vision aus Brennas Träumen. Ein Name, den eine durchgeknallte Barbiepuppe ohne wahren eigenen Namen einem einsamen Portier genannt hatte …
Bist du real, Clea? Wirst du es jemals sein?
Inzwischen hatte sie das Flurende erreicht, stand vor der offenen Tür des Zimmers, in dem ihre Tochter schlief, und lauschte auf Mayas ruhige Atemzüge – denn kein anderes Geräusch beruhigte sie derart.
Doch sie hörte nichts.
Sie betrat auf Zehenspitzen das Zimmer. Das Mondlicht, das durchs Fenster fiel, warf einen hellen Fleck auf Mayas Bett. Auf Mayas leeres, sorgfältig gemachtes Bett. Mit zugeschnürter Kehle kehrte Brenna in Gedanken in Trents Schlafzimmer zurück, in dem es noch nach Weihrauch roch. Ihr Herz schlug bis zum Hals, und sie hielt den Brieföffner umklammert, als sie vor das leere Bett ihres Assistenten trat … Brenna stieß sich die Fingernägel in die Handflächen, kehrte in Mayas Schlafzimmer zurück, machte Licht und sah den Zettel auf dem Kissen, auf dem Mayas runde Handschrift selbst aus der Entfernung deutlich zu erkennen war. Brenna machte einen Schritt nach vorn und griff mit zitternden Händen nach dem Blatt.
Mom,
ich bin bei Dad und Faith. Dein Chanukka-Geschenk liegt auf Deinem Bett. Wenn Du Lust hast, guck’s Dir an.
Maya
Brenna atmete erleichtert auf. Gott sei Dank. Es geht ihr gut. Auf dem Fußboden neben dem Bett lag Mayas Handy. In ihrer Eile, die Notiz für sie zu schreiben und die leere Wohnung endlich zu verlassen, hatte sie es wahrscheinlich verloren.
Brenna hob es auf und sah auf das Display. Maya hatte ihre Nachricht nicht gelesen, aber hätte das wohl einen Unterschied gemacht? Brenna hatte Maya abermals im Stich gelassen, dabei hatte die sich schon seit einer halben Ewigkeit auf Chanukka gefreut. Da war es ganz bestimmt kein Trost, dass Brenna sie verlassen hatte, weil ihr Assistent mit einer Fischvergiftung kurzfristig im Krankenhaus gelandet war.
Maya geht es gut. Und ich kann es ihr wohl kaum verdenken, dass sie furchtbar sauer auf mich ist.
Zu erschöpft zum Schlafen, kehrte Brenna in ihr Wohnzimmer zurück. Trent hatte die Bilder von Persephone noch nicht von seiner Pinnwand abgenommen, und mit leichter Wehmut blickte Brenna sie jetzt an – kaum vorzustellen, dass sie erst seit weniger als achtundvierzig Stunden innerlich derart zerrissen war.
Sie glitt auf ihren Schreibtischstuhl, rief ihre E-Mails auf und sah, dass eine Nachricht von Morasco eingegangen war.
Brenna,
danke für das veränderte Foto von RJ. Ich habe seine Akte wegen des Einbruchs beigefügt.
Außerdem müssen wir beide reden. Aber nicht am Telefon. Hast Du morgen Zeit?
Nick
Ihr Magen zog sich zusammen. »Worüber sollten wir beide reden müssen?«, fragte sie mit lauter Stimme. »Was gibt es so Wichtiges zu reden, weswegen du mich morgen treffen musst?« Sie dachte an die Art, wie er sie in der letzten Zeit häufiger angesehen hatte – mit einem erschreckend mitleidigen Blick –, stand von ihrem Laptop auf, kehrte ihm den Rücken zu und biss sich auf die Lippe, denn sonst wäre sie zu einem dieser Augenblicke, die so schmerzlich für sie waren, zurückgekehrt.
Bevor sie es sich versah, war sie in ihrem Schlafzimmer, auf dem wie ein stummer Vorwurf Mayas Chanukka-Geschenk mit aufgeklebtem Post-it lag: Tut mir leid, dass es nicht eingepackt ist – konnte das Papier nicht finden.
Es war Mayas Zeichnung von ihr. Sorgfältig gerahmt.
»Danke«, stieß sie mit erstickter Stimme aus und fügte nach einer halben Ewigkeit hinzu: »Es tut mir leid.« Die Entschuldigung galt nicht nur Maya, sondern gleichzeitig auch Trent und Errol, Jim und Nick Morasco, Gary Freeman sowie jedem anderen, der je in ihr verpfuschtes Leben einbezogen worden war und erwartet hatte, irgendetwas Gutes käme für ihn selbst dabei heraus.
Reglos starrte sie auf das Porträt – in die mit Bleistift gezeichneten Augen, die auf irgendeinen Punkt in der Ferne oder eher der Vergangenheit gerichtet waren … Ich habe an Lula Belle gedacht, fiel Brenna ein. Habe an sie gedacht. An Lula Belle.
Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie schnappte sich ihr Telefon und rief Morasco an.
Er war gleich nach dem ersten Klingeln am Apparat, und Brenna atmete tief durch.
»Habe ich dich geweckt?« Was für eine blöde Frage. Denn wenn jemand nach dem ersten Klingeln dranging, hatte man ihn sicher nicht geweckt.
»Nein«, erklärte er dann auch. »Wie geht es dir, Brenna?«
O Gott, sie hasste es,
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