Aschebraut (German Edition)
Bernadette öffnete den Vorhang, der das Bett umgab, und zwei muskulöse Pfleger traten durch den Spalt. »Tut mir leid, Ma’am, aber Sie müssen sich bitte verabschieden. Mr LaSalle wird jetzt verlegt.«
»Mr LaSalle ist mein Dad, Baby. Du kannst mich T-Man nennen, wenn du willst.«
Bernadette sah Brenna an. »Ist das normal?«
»Ja, leider.« Brenna legte ihm eine Hand auf die Schulter und stand auf. »Tschüss, Kumpel. Bis morgen.«
»Warte. Da ist etwas, was ich dich noch fragen wollte.«
»Ja?«
»Wer … wer hat mich gefunden?«
Brenna sah ihn an. »Annette Shelby.«
Er schüttelte unglücklich den Kopf. »Das hat mir auch schon der Arzt gesagt, aber ich dachte, er macht einen Witz. Was natürlich seltsam gewesen wäre, weil er schließlich keinen von uns beiden kennt.«
»Das stimmt.«
»Schätze, das macht wieder wett, was sie getan hat, oder was meinst du?«
»Sie meint es gut, Trent«, antwortete Brenna. »Meiner Meinung nach hat sie es immer gut gemeint. Nur hat ihre Sehnsucht nach … Gesellschaft einfach ihre Urteilskraft getrübt.«
»Das Gefühl kenne ich.«
»Genau.«
»Ich werde ihr Blumen schicken. Oder vielleicht sollte ich ihr eine neue Katze besorgen.«
»Das brauchst du nicht. Geh einfach … ich weiß nicht … einen Kaffee mit ihr trinken oder so.«
Bernadette klappte das Kopfteil von Trents Bett nach hinten, und die beiden Pfleger bauten sich zu beiden Seiten der auf diese Art entstandenen Krankenliege auf. »Okay«, erklärte Trent. »Ich werde sie anrufen und etwas mit ihr ausmachen. Aber nicht, solange ich aussehe, als hätte mich eine Hyäne ausgespuckt. Ich muss heiß für Mrs Shelby aussehen. Schließlich hat sie bestimmte Erwartungen.«
Brenna dachte, dass es für Annette wahrscheinlich schon ein schwerer Schlag gewesen war, ihn bewusstlos und mit heruntergelassener Hose in seiner Wohnung vorzufinden, doch das hätte ihn bestimmt nicht gerade aufgebaut. Deshalb log sie, ohne rot zu werden: »Keine Bange. Du siehst immer heiß aus.«
»Wow.« Er sah sie grinsend an. »Könntest du das bitte für mich aufnehmen?«
»Nein.« Sie umarmte ihn zum Abschied, machte einen Schritt zur Seite, als die Pfleger ihn den Gang hinunterschoben, und bemerkte erst in diesem Augenblick, dass das kleine Mädchen, das drei Betten weiter lag, nicht mehr gellend schrie.
Traurig ging sie den Flur hinunter. Ohne es zu wollen, dachte sie noch einmal an Diandra. An Diandra, die RJs Mac Pro gestohlen hatte, an Diandra, die sich Clea nannte, die Errol ermordet und den armen Trent ins Krankenhaus befördert hatte und davongelaufen war. Mit ihrem gesamten Fall. Mit Lula Belle.
Zementmischer, dreh dich im Kreis / Zementmischer, rühr an den Speis …
Vom anderen Flurende rief Trent ihr etwas hinterher.
»Was?«
»Schließfach!«, brüllte er noch einmal, während ihn die Pfleger in den Lift verfrachteten. »Das ist der Name von Tannenbaums Cloud Storage Gateway ! Merk ihn dir, denn ich vergesse ihn bestimmt wieder.«
Brenna sah, wie einer der kräftigen Pfleger ihn auf seine Pritsche drückte und der andere die Fahrstuhltüren schloss.
Zumindest habe ich noch Trent, dachte Brenna.
N
Es war weit nach Mitternacht, bis sie wieder in ihre Wohnung kam. Jetzt war auch für sie und Maya Chanukka vorbei, ohne dass sie wenigstens die Kerzen angezündet hatten, und so öffnete sie schuldbewusst die Tür. Keine Geschenke, keine Latkes …
In der Wohnung war es totenstill. Natürlich war es das. Es war inzwischen kurz vor eins, und im Gegensatz zu ihr und Jim war Maya keine Nachteule. Auf Übernachtungspartys war sie stets die Erste, die sich schlafen legte, weil sie müde war.
Auf dem Weg durch Wohnzimmer und Küche gingen Brenna unzählige Stimmen durch den Kopf – Lula Belles gewisperter Südstaatenakzent, Diandras samtig weiches Hallo , Trent, der Brenna fragte: Was ist, wenn sie sie ist?, Gary Freeman, der am Telefon erklärte: Ich habe Angst, dass ihr vielleicht was zugestoßen ist. Ich meine … Gott … falls es sie überhaupt jemals gegeben hat.
Und dann hörte sie andere Stimmen, weit entfernt in ihrer Erinnerung, gedämpft, als würden sie unter Wasser zu ihr sprechen …
Rutsch ein bisschen höher, kleine Spinnerin, ich verliere sonst das Gleichgewicht.
Los, Mädchen, lächelt in Daddys Kamera … Na, gefällt euch euer nagelneues Rad …
Ein zehnjähriges Mädchen, das seinen längst verschwundenen Vater anlächelte. Ein verblasstes Gesicht von einem Highschool-Bild.
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