Aschebraut (German Edition)
vorher dort gestohlen worden war. Ich sollte es zurückbringen, bevor es der Professor merkt, aber inzwischen glaube ich, Shane hatte sich eine Kopie davon gemacht.
Auf dem Monitor erschien ein Bild von Shane, der neben einer Kamera posierte. Denn er hat die Regie bei den Filmen von Lula Belle geführt.
Jetzt sah man ein Bild von Lula Belle, die rittlings auf einem Hocker saß.
Kunst. Performance-Kunst. Entstanden auf der Grundlage des Tagebuchs, das ein verschwundener Teenager verloren hat.
Wieder kam das Bild von Brenna und der Schwester auf dem Rad. Dieser verschwundene Teenager.
Damit endete der Film.
»Es gibt noch mehr.« Trent klickte auf dem Bildschirm seines Laptops auf »Play« .
»Mr Freeman, hier spricht RJ Tannenbaum.«
Dann hörte man Garys Stimme über einen Lautsprecher. »Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, dass es zwischen uns nichts zu bereden gibt.«
»Das kann nicht sein. Ich habe Cleas Tagebuch gesehen. Ich weiß über Lula Belle Bescheid.«
»Sie wissen überhaupt nichts.«
»Mr Freeman, ich werde Sie so oft anrufen, bis Sie mir eine Antwort geben.«
»Sie haben doch keine Ahnung, worum es bei dieser Sache geht.«
Und damit legte Gary Freeman auf.
Brenna und Trent starrten einander an, und sie stellte sich vor, wie der gesamte Fall den Bach hinunterging, weil er, angefangen mit dem ersten Telefonanruf des Kerls bei ihr, auf einer dreisten Lüge aufgebaut gewesen war. Und Sie haben auch ein Interview gegeben. Und dabei eine Schwester erwähnt, nicht wahr?
»Gary Freeman hatte das Tagebuch von meiner Schwester«, stellte Brenna tonlos fest. »Dann hat er sie also gekannt.«
»Genau wie Diandra. Die ihm hilft, das alles zu vertuschen«, fügte Trent hinzu.
23
Diandra machte an dem Abend etwas früher Schluss. Das Lokal war brechend voll, aber für ihren Boss war es okay, dass Diandra ging. Weil alles, was Diandra tat, für den Mann in Ordnung war. »Ich kann später diese Woche eine Extraschicht einlegen«, hatte sie ihm angeboten und ihn dabei mit einem verheißungsvollen Lächeln angesehen.
»Sicher«, hatte er erwidert. »Das kannst du halten, wie du willst.« Er hatte nicht bemerkt, dass sich Claire, die schnippische neue Bedienung, und Luis, der Hilfskellner, in seinem Rücken augenverdrehend angesehen hatten. Doch Diandra hatte es bemerkt. Und sie ging jede Wette ein, dass Claire der Überzeugung war, sie hätte ein Date, wollte irgendwo Party machen oder etwas anderes in der Art. Wenn du wüsstest …, dachte sie.
Sie ersparte sich die Mühe, ihre Uniform gegen normale Kleider einzutauschen. Schließlich sah sie mit der hochgeschlossenen Spitzenbluse und dem vorgeschriebenen Pferdeschwanz noch jünger als zweiundzwanzig und irgendwie unschuldig aus. Wie ein netter, quietschvergnügter Teenager. Trotzdem kaufte Brenna ihr die Maskerade sicher höchstens für ein paar Sekunden ab – sie hatte gesehen, wie sie sie angestarrt hatte, als sie bei Trent erschienen war –, als würde sie sie kennen, was bei dem Gedächtnis, das sie hatte, schließlich durchaus möglich war.
Diandra zog sich ihren schweren schwarzen Mantel an. Inzwischen war es draußen dunkel, und die Kälte biss ihr ins Gesicht und ließ ihre Augen tränen. Als hätte das Wetter wie die ganze Welt es auf sie abgesehen …
Während eines Augenblicks dachte sie daran zurück, wie sie auf dem Fußboden gelegen hatte, während Mr Freemans Faust in ihrem Bauch gelandet war. Bereits in dem Moment hatte Diandra sich geschworen zu vergessen, dass es je geschehen, dass ausgerechnet Mr Freeman von einem so absoluten Hass auf sie getrieben worden war. Aber gegen die Erinnerung kam sie nicht an, und als sie daran dachte, blieb sie stehen und hasste Mr Freeman und sich selbst für das, wozu sie aufgebrochen war …
Und dann war es vorbei, die Erinnerung verflog, und sie hatte beinahe das Gefühl, als wäre nie etwas passiert. Und in gewisser Hinsicht war es das auch nicht. Denn außer ihnen beiden hatte niemand etwas davon mitbekommen, und er war so alkoholisiert gewesen, dass er sicher längst schon nicht mehr wusste, dass er wie von Sinnen über Diandra hergefallen war.
Sie bog in die Greenwich Avenue und entdeckte ihn sofort. Er lungerte vor dem Fiddlesticks herum, als überlegte er, ob er hineingehen und sich ein Bier bestellen sollte. Haut wie Ebenholz, weißer Kamelhaarmantel und protzige Diamantstecker in beiden Ohren. Saffron.
Mit klappernden Absätzen lief Diandra auf ihn zu. »Hast du das Zeug
Weitere Kostenlose Bücher