Aschebraut (German Edition)
furchtbar langsam, deshalb dauerte es eine Weile, bis die Aufnahme Gestalt annahm … bis sie das Foto sah und ihr Handy schreiend fallen ließ.
Und dann schnappte sich Brenna ihren Mantel, hob ihr Handy auf und stürzte los. »Ich muss weg.«
»Wo willst du hin?«
»Du kannst mich nicht begleiten. Das kann niemand, Trent.«
»Und warum nicht?«
Brenna zeigte ihm erst das Bild: Eine grinsende Diandra hielt Maya die Spitze eines Messers an den Hals. Maya weinte. Ihr Gesicht war starr vor Angst und Schmerz. Und dann den dazu verfassten Text: Kommen Sie allein. Sonst …
N
»Lassen Sie sie gehen.« Obwohl Brenna erst vor wenigen Sekunden durch die Tür getreten war, hatte sie jedes Zeitgefühl verloren, als wäre die Luft, die sie alle umgab, ein zähflüssiges Gel, in dem jede Bewegung mühsam, wenn nicht gar unmöglich war. Dort drüben war Diandra und trug irgendeine lächerliche Kellnerinnen-Uniform. Diandra, die in Brennas Wohnzimmer auf Brennas Sofa saß und Brennas Tochter, deren Mund mit einem von Brennas Geschirrtüchern geknebelt war, ein scharfes, todbringendes Messer an die Kehle hielt. Brennas Blick fiel auf den Tisch, auf dem ein halbgeleertes Milchglas neben einer offenen Taco-Tüte stand, und auf den Bildschirm ihres Fernsehers, auf dem Jack Black eine Grimasse schnitt. Ihre Tochter hatte – vor sich einen Snack und neben sich den iPod Touch – einen ruhigen, sicheren Abend vor dem Fernseher verbringen wollen, der von dieser Irren unterbrochen worden war. Wie konntest du es wagen.
Maya stieß ein leises Wimmern aus. Tränen liefen ihr über die Wangen, und erst jetzt sah Brenna, dass die Arme ihrer Tochter hinter ihrem Rücken zusammengebunden waren. »Nehmen Sie mich an ihrer Stelle, Diandra. Schließlich sind Sie meinetwegen hier.«
Diandra lenkte ihren Blick von Brenna auf das Kind und dann wieder auf sie zurück. »Ich nehme an, ich muss euch beide loswerden«, erklärte sie. »Das ist eine dieser Situationen, die man nicht mehr ändern kann. Ihre Tochter ist ein wirklich reizendes Geschöpf. Ich an Ihrer Stelle wäre furchtbar stolz auf sie.«
Brenna kniff die Augen zu. »Wissen Sie, ich habe für Gary Freeman gearbeitet. Genau wie Sie. Ich durfte keinem Menschen was von ihm oder seiner Beziehung zu Lula Belle verraten, und das habe ich auch nicht getan. Ich habe sein Geheimnis bis heute bewahrt. Und wohin hat mich das gebracht?«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich will damit sagen, dass Loyalität ein Fremdwort für ihn ist.«
»Ich … ich weiß nicht, wovon Sie reden. Ich weiß nicht einmal, wer Gary Freeman ist.«
»Unsinn.«
Diandra packte Maya fester, und das Mädchen wimmerte erneut.
Brenna knirschte mit den Zähnen. Sie wollte Diandra möglichst weh tun, doch das konnte sie – noch – nicht. Sie atmete tief durch. Du musst ruhig bleiben … Sie starrte auf das Messer, das am Hals der Tochter lag, und kehrte in Gedanken in die Pelham Bay zurück. 2. Oktober …
»Vor vier mal zwanzig und sieben Jahren gründeten unsere Väter …«
»Was?«, fragte Diandra.
Brenna riss den Blick von der scharfen Klinge los, wandte sich abermals Diandra zu und versuchte, durch die blauen Kontaktlinsen hindurch in sie hineinzusehen. »Gary Freeman hat eine Tochter, die genauso alt wie Maya ist.«
Diandras Miene wurde weich. »Ich habe seine Töchter mal gesehen.«
Brenna machte kurz die Augen zu. Ich wusste es. Ich wusste es … »Hören Sie mir zu. Ich brauche Maya. So wie Gary Freeman seine Töchter braucht. Ich brauche die Gewissheit, dass sie in ein paar Jahren erwachsen wird. Ich brauche die Gewissheit, dass sie lebt.«
Diandra runzelte die Stirn, und als sie ihren Griff ein wenig lockerte, rückte Maya unauffällig von ihr ab.
»Ich bin sicher, dass es Ihrer Mutter in Bezug auf Sie genauso geht«, fuhr Brenna fort.
Diandra verdrehte die Augen wie ein Teenager. »Meine Mutter starb, als ich ein kleines Mädchen war. Also bitte.«
Brenna konnte nichts mehr bei ihr ausrichten. Ihr keine Informationen mehr entlocken, keine Spielchen mit ihr spielen. Alles, was sie tun konnte, war, ihre Tochter anzustarren, während sich ihr Herz zusammenzog. »Ich brauche Maya.«
Eine Träne rollte über Mayas Wange.
»Töten Sie mich«, forderte Brenna Diandra auf. »Aber lassen Sie Maya leben.«
Maya schrie durch ihren Knebel: »Nein!«
Diandra fuhr zusammen. »Ruhe, Ruhe, Ruhe!«
Mit einer geschmeidigen Bewegung schnappte Brenna sich das Milchglas und rammte es Diandra ins
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