Aschebraut (German Edition)
dabei?«
»Immer mit der Ruhe. Jetzt entspann dich erst mal. Schließlich stehen hier auch noch andere Leute rum.«
»Oh.« Einem anderen Typen hätte sie in nettem Ton erklärt, wohin er sich seine Entspannung stecken könnte, wenn er ihr nicht den gebührenden Respekt erwies, doch mit Saffron ging sie anders um. Weil er für sie fast ein Mensch wie Mr Freeman war. »Tut mir leid.«
Er sah ihr ins Gesicht und zog vorsichtig mit seinem Zeigefinger die Konturen ihrer Lippen nach. Sie erwiderte den Blick und glitt sanft mit der Zunge über seine Fingerspitze, ehe sie sie kurz mit ihrem Mund umschloss. Es ist alles eine Rolle. Ich spiele nur eine Rolle, weiter nichts. Wie im Film oder Theater. Schließlich sind wir Schauspieler kaum je wir selbst …
»Nicht übel«, stellte Saffron leise fest und nahm ihre Hand. Erst dachte sie, er wollte sie an eine ganz bestimmte Stelle seines Körpers legen, doch dann überreichte er ihr einen kalten, scharfen und derart erschreckend effizienten Gegenstand, dass ihr Herz bereits bei der Berührung schneller schlug. Denn sie hatte plötzlich ein Gefühl von drohender Gefahr.
»Ein Stilett-Springmesser aus Milano-Stahl«, erklärte er. Sie schloss die Finger um den Griff und dachte an die Zeichentrickserie, die Shane so gern gesehen hatte: mit dem Jungen und dem Schwert, das in Wirklichkeit ein wunderhübsches Mädchen war, das sich verwandeln konnte, wenn es ihm gefiel. Das Schwert hatte den Jungen ausgewählt, und in jeder Folge rettete es ihm am Schluss das Leben. Was in höchstem Maße romantisch war.
»Danke, Saffron«, spielte sie ihre gewählte Rolle weiter. Es war erst kurz nach acht, und sie wäre innerhalb von fünf Minuten dort. Könnte tun, was nötig war, dann zu Mr Freeman heimgehen, und sie beide könnten bis zum nächsten Morgen ihre Liebe feiern wie der Junge und sein Schwert. Könnten einander in den Armen halten, sich ihre Geheimnisse verraten, er würde sie bis an sein Lebensende brauchen, und sie wäre immer für ihn da.
Wie hatte er zu ihr gesagt? Du bist eine ganz besondere Frau.
Sie steckte das Messer in die Tasche und marschierte los. Bereits nach ein paar Metern fing sie an zu laufen, und nach wenigen Minuten hatte sie ihr Ziel erreicht …
Völlig außer Atem trat sie vor das Haus von Brenna Spector in der 12. Straße, beugte sich vornüber, umschlang ihre Knie, richtete sich langsam wieder auf, machte kurz Gesichtsgymnastik, sagte dabei »Miii-maaa-muuu«, berührte ihre Zehen mit den Fingerspitzen und drückte erst, als sie gelockert war, den Klingelknopf.
Durch den Lautsprecher drang ein gedämpftes »Ja?«
»Brenna?«
»Nein, ich bin ihre Tochter. Sie ist … ähm … gerade nicht zu sprechen.« Dies war eindeutig die Stimme eines Mädchens. Eines noch sehr jungen Mädchens. Diandras Herz zog sich zusammen. Denn sie wollte keine Kinder in die Sache einbeziehen. Sie dachte an sich selbst in diesem Alter, als sie ungeschickt und plump, als ihr Dad häufig geschäftlich unterwegs gewesen und sie selbst vom Stiefmonster in verschiedene Hotelbars mitgenommen worden war. So spare ich das Geld für einen Babysitter, hatte sie den Männern, die sie angebaggert hatten, gutgelaunt erklärt, und dann hatten sie gelacht, als wäre DeeDee gar nicht da. »Oh, was Mütter ihren Kindern alles antun«, flüsterte Diandra, setzte dann aber ein breites Lächeln auf und stellte sich dem armen, armen Mädchen vor.
N
»Wir gehen ins Speck «, erklärte Brenna.
»Ist das dein Ernst?« Trent starrte sie mit großen Augen an.
»Auf jeden Fall. Aber vorher muss ich noch schnell Maya simsen, dass es bei mir etwas später wird.«
»Bren, dass es die Frau dort mal gejuckt hat, als sie mich getroffen hat, heißt noch lange nicht, dass sie dort lebt.«
Brenna blinzelte. »Dass es sie mal gejuckt hat?«
»Was auch immer«, erwiderte Trent. »Aber in dem Aufzug kannst du unmöglich in diesen Laden gehen. Du hast viel zu viel Stoff am Leib. Hast du nicht vielleicht ein Schlauchtop oder ein Bustier oder irgendetwas anderes aus deiner Madonna-Phase irgendwo in deinem Kleiderschrank versteckt?«
»Ich hatte nie eine Madonna-Phase.«
»Also bitte. Hilf mir. Was ist das nuttigste Kleidungsstück, das du besitzt?«
Brennas Handy piepste SOS. »Ich kriege gerade eine SMS.«
»Ja, sicher«, sagte er. »Weich dem Thema einfach aus, obwohl ich dir nur helfen will.«
Maya hatte ihr ein Bild geschickt, das sie, so schnell es ging, herunterlud. Doch ihr Handy war uralt und
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