Aschebraut (German Edition)
Assistenten?«
»Niemandem. Für Ihren Assistenten sind Sie immer noch von Ludlow engagiert.«
»Wir haben heute Minusgrade«, sagte sie. »Da haben normale Menschen Mäntel an.«
»Weißt du, warum ich keinen Mantel brauche?«
»Weil du ein so heißer Typ bist, dass du gar nicht frieren kannst?«
»Es ist einfach schön, wenn jemand einen so gut kennt.«
»Manchmal fürchte ich, ich kenne dich zu gut.«
Auf dem Weg über die Straße wartete sie kurz, bis er sie eingeholt hatte, und erklärte dann: »Weißt du, du kannst mir ebenfalls vertrauen.«
»Ja.«
Sie wusste, was er denken musste. Aber schließlich hatte ihre Stimme bei dem Satz auch keinen wirklich überzeugten Klang gehabt.
Brenna kam das Haus wie die Kulisse eines Märchens – oder eines Horrorstreifens – vor.
Wie die meisten anderen Häuser in der Straße hatte es drei Etagen und in Richtung Straße eine kurze Eingangstreppe. Trotzdem hob es sich von den umgebenden Gebäuden dadurch ab, dass es von dichtem Efeu überwuchert war. Eigentlich fand Brenna etwas Efeu an den Wänden alter Häuser durchaus nett – es sah irgendwie gemütlich, herrlich altmodisch und akademisch aus –, aber in diesem Fall wirkte es eher wie ein Zeichen des Verfalls. Als wolle das Gewächs das zerbrechliche Gemäuer erst verschlingen und dann wieder in die Erde ziehen. Jemand hatte einen Adventskranz an die Eingangstür gehängt, ein großes, unförmiges Ding, an dem eine Unzahl bunter Weihnachtsglocken hingen. Irgendwie jedoch wurde der ruinöse Eindruck des Gebäudes durch den Schmuck der Haustür noch verstärkt – denn aus irgendeinem Grund sah dieser Kranz wie der juwelenbehängte Handlanger des Efeumonsters aus.
Wobei Brennas Beklommenheit vielleicht auch einfach ihrer Paranoia zuzuschreiben war. Sie war ebenso nervös, wie wenn sie sich an irgendetwas oder irgendjemanden nicht erinnern konnte und selbst eine gründliche Recherche nichts ergab. Abgesehen von Lulas/Robins Größe und Gewicht – die Trent mit Hilfe des von ihm entwickelten Programms herausgefunden hatte – wusste Brenna nicht das mindeste über die Frau, derentwegen sie hierhergekommen war. Was nützte es ihr schon, zu wissen, dass sie circa eins siebzig groß und um die sechzig Kilo schwer war, wenn sie keine Ahnung hatte, wie der Alltag dieser Frau aussah, warum sie seit gut acht Wochen von der Bildfläche verschwunden war, ob sie immer noch hier wohnte oder ob sie vielleicht umgezogen … oder überhaupt nicht mehr am Leben war.
Für gewöhnlich recherchierte Brenna etwas gründlicher, bevor sie einem Menschen, den sie suchte, gegenübertrat. Aber es war Samstag, und selbst wenn ihr Kate Robins Sozialversicherungsnummer überlassen hätte – was natürlich nicht der Fall gewesen war –, hätte ihr die frühestens am Montag etwas genützt.
Allerdings hatte sie Trent nicht deswegen an einem Samstag angerufen und gebeten (angewiesen?), sie hierherzufahren. Hätte sie nach jemand anderem gesucht, dann hätte der Besuch problemlos noch zwei Tage Zeit gehabt. In diesem Fall jedoch hatte sie ein seltsames Gefühl – ein beinahe schmerzliches Verlangen, diese Robin Tannenbaum zu sehen, um zu wissen, wer die Frau hinter dem Schatten war. Sie spürte das Verlangen körperlich – es war wie ein vehementes Pochen, das durch ihre Adern lief. Auch wenn sie es – noch – nicht in Worte fassen konnte. Weil es zu sehr schmerzen würde, wäre sie – erneut – auf einer falschen Spur.
»Was für ein süßer kleiner Vogel, Daddy. Können wir ihm helfen?«
Rechts der Haustür waren drei Briefkästen mit jeweils einer Klingel angebracht. Sie blickte auf den Kasten mit der aufgedruckten Zwei, und ihr Puls fing an zu rasen, denn darunter stand auf einem kleinen Schild der Name Tannenbaum.
»Ich werde mich um ihn kümmern, Daddy. Er bekommt ein Nest in einem Schuhkarton, und ich füttere ihn jeden Tag. Brenna kann mir dabei helfen …«
Sie verdrängte die Erinnerung und drückte auf den Klingelknopf.
»Eine Frage«, sagte Trent.
»Ja?«
»Wenn Lula Belle uns aufmacht, was zum Teufel wirst du ihr dann sagen?«
»Die Wahrheit.«
Er stieß einen Seufzer aus, sie klingelte erneut. Und dann warteten sie beide ab.
Bis mit einem Mal die Stimme einer Frau erklang. »Ja, bitte?«
Brenna atmete tief durch.
»Ms Tannenbaum?«
»Ja?«
»Sie hat gar keinen Südstaatenakzent«, bemerkte Trent, doch Brenna schaute ihn böse an.
»Pst.«
»Wer ist da, bitte?«, fragte jetzt die
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