Aschebraut (German Edition)
Junge. Wir könnten uns lieben …
»Sei still«, wisperte Gary. »Bitte, sei doch endlich still.« Er tippte die dritte Nummer in sein Telefon.
»Hallo?«, fragte eine Stimme, die kaum reifer und genauso jung und atemlos wie die von seiner jüngsten Tochter klang. Aber daran würde Gary jetzt nicht denken. Das war jetzt egal.
»DeeDee.«
»Mr Freeman?«
»Ja.«
»Auf meinem Display steht ›unbekannt‹ . Sie rufen also wieder von dieser privaten Nummer an. Haben Sie das Handy denn nicht mehr? Haben Sie es verloren?«
Warum zum Teufel interessiert es dich, von was für einem Telefon aus ich dich anrufe?
»Hallo?«
»Ich habe unser Handy noch«, flüsterte er ins Telefon. »Es ist an einem sicheren Ort.«
»Oh, gut.« Sie seufzte erleichtert auf. »Ich weiß, es klingt wahrscheinlich dumm, aber das bedeutet mir sehr viel. Dieses Handy. Unser Handy. Weil es etwas ist, was uns gehört. Ich brauche nur die Nummer auf meinem Display zu sehen und schon beginnt mein Herz …«
Gary zuckte zusammen. »DeeDee.«
»Ja?«
»Ich habe ein Problem.«
»O nein.«
»Es tut mir leid. Ich sollte dich nicht anrufen. Nicht nach allem, was du schon für mich getan hast. Ich sollte dich nicht mit diesem Zeug belasten.« Er kniff die brennenden Augen zu. DeeDee, der er immer alles beichtete. DeeDee mit der Babystimme, zu der er mit all seinem Kummer ging. »Mein Leben gerät völlig aus den Fugen, und ich kann einfach nichts dagegen tun.«
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie.
»Du bist noch so jung. Du hast noch das ganze Leben vor dir, wohingegen ich …«
»Ich würde alles für Sie tun.«
»Hör auf.«
»Sie wissen, dass das stimmt.«
Er atmete tief durch und saugte die Worte in sich ein: Ich würde alles für Sie tun.
» Das weiß ich«, sagte er und fühlte sich noch elender, weil das die Wahrheit war und er nichts unternahm, um das arme Kind daran zu hindern, einen fürchterlichen Fehler zu begehen. Die arme, verblendete, einsame DeeDee, denn sie setzte all ihre Hoffnungen in einen Mann wie ihn. Was hat sie nicht bereits alles für mich getan. Er versuchte zu vergessen, was genau. Ein ums andere Mal warf er die Tür vor diesem Gedanken zu, doch er ließ sich einfach nicht verdrängen, war noch immer grundsolide und real, schrie ihn mit lauter Stimme an.
Er hätte schon vor langem einen Schlussstrich unter die Beziehung zu dem Mädchen ziehen sollen. Hätte sie verletzen sollen. Weil schließlich kaum jemand an einem gebrochenen Herzen starb.
Ein besserer Mann als er hätte das sicher längst getan.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte DeeDee. »Sagen Sie es mir.«
Gary atmete tief ein, kniff abermals die Augen zu und kam der Bitte nach. Denn den Luxus, ein besserer Mann zu sein, konnte er sich – um seiner Familie willen – nicht erlauben. Weil das, worum es ging, zu groß und wichtig war.
Er erzählte ihr mit sanfter, ruhiger Stimme von seinem Problem mit Errol Ludlow, während aus dem Nebenraum die Stimme seiner Tochter drang – seines Babys Hannah, das niemals ein Leid erfahren sollte. Hannah, die ihre Schwester anbrüllte: »Das ist nicht fair.«
N
»Die Handys bitte!«, blaffte der Kerl, der Trent eine Pistole an den Schädel hielt.
Ohne seinen Blick auch nur einen Moment lang von der Straße abzuwenden, trennte Trent den Apparat, auf dem als Letztes Annette Shelbys Nachricht eingegangen war, vom Ladekabel und hielt ihn dem Typen hin.
Brennas Handy steckte in der Vordertasche ihrer Jeans. Gerade als sie es herausziehen wollte, spürte sie, dass es vibrierte. Deshalb klappte sie stattdessen den in ihrem Schoß liegenden Umschlag auf, tastete nach Robins Smartphone und reichte es hinter sich.
»Danke, meine Hübsche«, sagte der Pistolenmann mit Namen Bo. Brenna wusste, wie er hieß, denn er hatte sich inzwischen vorgestellt. »Mein Name ist Bo«, hatte ihr Kidnapper erklärt, nachdem Trent in Richtung Norden auf den West Side Highway aufgefahren war. »Und das ist mein Freund Diddley.«
»Bo und Diddley«, hatte Brenna wiederholt.
»Wenn ihr euch nicht benehmt, kriegt ihr bei uns den Blues.«
»Der war wirklich gut.«
»Findest du? Haha. Ich auch!« Bo lachte fast die ganze Zeit – als wäre dies keine Entführung, sondern eine Cocktailparty, auf der er die Gäste unterhielt, und als wäre die Smith & Wesson, die er gegen Trents Medulla oblongata drückte, harmlos wie ein alkoholfreies Getränk. Offensichtlich sollte er den netten, onkelhaften Typ markieren, während der
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