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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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dem Weg aus dem Inneren Zirkel. Summer wurde nervös, als sie sah, dass Beljén zielstrebig auf die Brücke zum ersten Turm zusteuerte. Sie weiß es , dachte sie. Aber Beljéns Ziel war nicht der Fahrstuhl und die Kammern der Winde, sondern die halb versteckte Treppe im Hintergrund, die Summer schon einmal aufgefallen war.
    »Wir müssen erst zum Brunnenzimmer«, erklärte Beljén. »Es liegt ein bisschen versetzt unter dem Turm. Aus den Grundfelsen am Meeresboden sprudelt eine Süßwasserquelle. König Beras’ Vater ist es gelungen, den Brunnen zu bauen. Er versorgt bis heute die ganze Zitadelle mit Wasser.«
    Das Brunnenzimmer erkannte Summer sofort wieder. Aber die schmale Eisentür, die sich für Beljén und sie vor wenigen Tagen geöffnet hatte, war fest verschlossen. Beljén ging daran vorbei, setzte sich auf den Rand des Brunnens und schwang kurzerhand ihre Beine hinein. Es war ein seltsamer Anblick, eine Lady in Maske und schwarzem Kleid wie ein Schulmädchen über den Brunnenrand klettern zu sehen.

    »Mach das nur nie, wenn Diener hier sind«, ermahnte Beljén Summer. Dann verschwand sie im Brunnen. Summer stürzte ihr nach - und entdeckte die eisernen Steigklötze, die an den Brunnenwänden entlang nach unten führten. Hand über Hand kletterte Beljén in die Tiefe. Summer knotete hastig den Rocksaum über ihrer Hüfte zusammen und folgte ihr. Der Weg führte in die Dunkelheit, dem Echo von fallenden Tropfen entgegen. Alle zehn Meter fand sich ein breiterer Vorsprung, auf dem sie durchatmen konnten. Als das Brunnenloch weit über ihr nur noch wie eine verlöschende Sonne wirkte, hielt Beljén an und griff nach Summers Hand. »Hier, fühlst du das?«
    Summers Fingerspitzen strichen über Backsteine. Und in jedem von ihnen steckte ein eiserner Bogen, um den sie bequem ihre Hand schließen konnte.
    »Loser Stein«, meinte sie. »Jemand hat so etwas wie Griffe in die Steine getrieben.«
    »Nicht jemand«, sagte Beljén triumphierend. »Das waren Halimar, Wij und ich. Damit wir nicht immer an den Menschen vorbeimüssen, wenn wir zur Barke wollen.«
    »Dorthin bringst du mich also!«
    »Allerdings. Nimm mit einer Hand die Backsteine raus und reihe sie auf dem Vorsprung auf. Aber vergiss nicht, sie auf dem Rückweg wieder einzusetzen, wenn du allein unten warst!« Gemeinsam wuchteten sie die Steine aus der Wand und tatsächlich war nach zehn Steinen ein schmaler Durchgang entstanden. Beljén ging voraus und schaltete jetzt erst eine Taschenlampe ein. Das Licht fiel auf eine schwindelerregend steile, baufällige Treppe, die sich am gemauerten Brunnenschacht entlangzog. Jeder Schritt bekam ein Echo, als sie hinunterstiegen. Der Steg war überschwemmt und den fleckigen Heiligengesichtern an den
Wänden stand das Wasser bis zur Oberlippe, was ihre grünen Algenbärte hin- und hertreiben ließ. Es platschte, als würden die Haie ungeduldig im engen Becken umherschwimmen. Beljén führte sie nicht zum Tempel hinunter, sondern über einen Seitensteg in den nächsten Kathedralenraum. Auch ohne das Licht der Taschenlampe hätte Summer den warmen Goldschimmer der Barke sofort gesehen. Das Schiff füllte den ganzen Höhlenraum aus. Ein gebogener, schlanker Sichelmond, der nur darauf wartete, die Wellen zu schneiden.
    »Wie habt ihr es hier untergebracht?«
    »Die Barke ist immer nur so groß oder so klein, wie Lady Mar es will«, erwiderte Beljén. »Und sie gehört uns allen.«
    Sie erreichten einen hohen Felsvorsprung und Beljén sprang leichtfüßig auf das vergoldete Deck.
    Die Barke hatte tatsächlich keinen Bezug zum wirklichen Raum. Als sie Beljén staunend unter Deck folgte, sah Summer ein endlos scheinendes Prunkzimmer, geschmückt mit geschliffenem Bernstein. Die goldgelben Plättchen bedeckten wie ein Mosaik auch die Liegefläche, die wie ein flacher Quader aus dem Boden wuchs.
    »Hier kommt ihr her, wenn ihr für euch sein wollt?«
    »Das ist unser Zuhause«, erwiderte Beljén mit einem Lachen. »Sie hat eine eigene Seele, aber im Gegensatz zu den Zorya hütet sie die Geheimnisse, die sie sieht. Wenn du dich irgendwo an deine Vergangenheit erinnern willst, dann wird es dir hier am besten gelingen. Komm hierher, wenn du schlafen und träumen willst. Die anderen wissen, dass sich hin und wieder eine von uns auf die Barke zurückzieht.«
    Summer lächelte. »Danke!«
    Beljén nickte und wurde mit einem Mal ernst. »Erinnere dich
an Indigo!«, sagte sie eindringlich. »Du wirst deine Aufgabe doch erfüllen? Nicht

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