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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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fort. »Du wusstest nicht, dass Suppe glühend heiß sein kann. Und auch nicht, wie Brot schmeckt. Manchmal kamst du mir so vor, als seist du eben erst geboren worden und müsstest lernen, was es heißt, zu leben. Du hast dich verraten mit allem, was du getan hast. Eine Weile glaubte ich, du seist eine Frostfee, die die Welt der Menschen erkundet.« Er lachte. »Aber eine Fee wäre sanft und freundlich gewesen. Du dagegen warst überheblich. Kühl. Und dann wieder aufbrausend. Anfangs haben wir uns so oft gestritten, dass ich dachte, du kannst mich nicht leiden. Du wolltest keinen Ratschlag von mir annehmen und hast dir
einen Spaß daraus gemacht, mein Pferd zu verscheuchen. Tiere konnten dich nicht leiden. Nur den Ziervögeln warst du gleichgültig.«
    »Wenn ich dich nicht mochte, warum habe ich dir dann überhaupt gefallen?«
    »Wer sagt, dass du mir gefallen hast? Soll ich dir die Wahrheit sagen? Ich habe dich nur geküsst, um dich bei einem Streit endlich zum Schweigen zu bringen.«
    Summer fuhr hoch. »Was?«
    Er grinste diebisch. »Das hier«, sagte er sanft und deutete auf die Stelle zwischen ihren zusammengezogenen Brauen. »Das liebte ich. Die kleine Zornesfalte, wenn du verärgert oder ratlos warst. Und deine Art, mich anzusehen. Wie jetzt. Als wolltest du mir an die Kehle springen.«
    Plötzlich glühten ihre Wangen. Sie senkte den Blick.
    »Und … ist es dir gelungen, mich … zum Schweigen zu bringen?«
    »Nein. Du hast mich so oft ausgelacht, dass ich dich meistens am liebsten erwürgt hätte. Es schien dir Spaß zu machen, mich zu reizen. An einem Tag hast du mich zu einem Fechtkampf herausgefordert. Ich habe dich besiegt und du warst so wütend darüber, dass du meinen Degen genommen und ihn zerbrochen hast.«
    Summer schloss die Augen. Ihre Erinnerungen zeigten ein Liebespaar. Küsse und keinen Streit. Lieder und Gedichte. Es passte alles nicht zusammen.
    »Ich verstehe es immer noch nicht! Wenn wir uns so wenig mochten, wie konnte es dann geschehen, dass wir uns ineinander verliebt haben?«
    Sie sah auf und bemerkte, dass er sie schon die ganze Zeit angesehen hatte. Mit einem seltsam intensiven Blick, der sie mehr denn je in seinen Bann schlug und sie gleichzeitig verwirrte. Die Luft
schien zu flirren, als gäbe es noch eine dritte Wirklichkeit, von der sie bisher nur geträumt hatte. Sie erschauerte, als seine Fingerspitzen an der weichen Stelle direkt unter ihrem Ohr entlangstrichen und seine Hand gleich darauf zart ihren Nacken streichelte.
    »Zum Beispiel so!«, sagte er. Und küsste sie.
    Diesmal war es anders als sonst. Dunkler - und auch betörender.
    Sie nahm kaum wahr, dass sie nicht mehr saßen, sondern eng umschlungen auf die Decken und Felle auf dem Boden zurückgesunken waren. Und als seine Hand ihre Schulter berührte und das Kleid ein Stück herunterschob, da spürte sie Haut und keine Handschuhe mehr. Sacht küsste er ihre Schulter und sie betrachtete seine Hand mit den Narben. Und als er nicht zurückzuckte, als sie mit dem Finger darüberstrich, war es ein besonderes Geschenk. Er drängte sie nicht, er lockte sie nur Schritt für Schritt weiter, in ein neues Land, das sie bisher nur aus der Ferne betrachtet hatte. Sie erinnerte sich daran, aber dennoch war es neu für sie, diese Schwelle zu übertreten. Er lächelte, als sie die Schnüre an seinem Hemd löste und mit den Fingerspitzen seine Haut erkundete. Nur die Stelle auf seiner Brust, wo kein Herz schlug, mied sie voller Scheu. Dann strichen seine Lippen über ihren Hals und sie verlor sich ganz in den Empfindungen, die nichts, aber auch gar nichts mit dem Dasein einer Zorya zu tun hatten. Noch nie war ihr so bewusst geworden, dass sie lebte, dass sie einen Körper hatte, der in Loveds Umarmung nun auf eine erstaunliche Weise zu erblühen schien. Es war tatsächlich eine dritte Wirklichkeit, zeitlos und unendlich schön. Und als sie aus ihrer Umarmung auftauchten, zählte es nicht mehr, dass sie eine Zorya ohne Flügel war und er der Mann ohne Herz. Hier waren sie nur Menschen.

    Heute war das graugrüne Licht seiner Augen hell und warm. »Erinnerst du dich jetzt?«, fragte er.
    Sie musste lächeln. »Ich … bin mir nicht sicher«, murmelte sie. »Küss mich noch einmal.«

    In dieser Nacht war sie zu aufgewühlt und zu verwirrt, um zu den Zorya zurückzukehren. Stattdessen flüchtete sie sich in die Barke und rollte sich auf der Bernsteinliege zusammen. So glücklich, dass es beinahe schmerzte, und zugleich so unglücklich,

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