Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
auftat, war ein erschreckender Anblick.
    Aus der Nähe erschien das Schiff noch viel bedrohlicher. Groß wie drei Häuser, schwarz gestrichen, und seine dunkelroten Segel verdeckten den halben Himmel. Der Name - Nymphea - prangte in eckigen Lettern auf dem Schiffsrumpf.
    Und hinter dem Schiff: das endlose Meer. Obwohl sich der Pfirsichhimmel darin spiegelte, erschien es immer noch grau.
    »Luke auf! Da kommen noch zwei«, brüllte jemand oben an Bord.
    Dann lagen Summers Hände schon auf dem hölzernen Lauf der Leiter. Jeder Muskel brannte, als sie Stiege um Stiege hochhetzte und sich dabei wie eine lebendige Zielscheibe fühlte. Es war nur das Bild des Blutmanns, das sie dazu brachte, über den Spalt zwischen
Leiterplattform und Luke zu springen. Dann landete sie auf dem Schiff, dicht gefolgt von Anzej. Einige Passagiere applaudierten spöttisch. Summer drehte sich um und spähte im Schutz des Lukenschattens zum Hafen. Das Schiff drehte bereits leicht, ein Stück des Kais kam in Sicht. Summer erstarrte, als sie die Männer entdeckte. Ihr Verfolger von eben. Und neben ihm der Blutmann. Sein langer Mantel bauschte sich im Wind. Und immer noch hielt er das Schwert in der Rechten fest umklammert. Die beiden standen mit dem Rücken zum Pier und suchten die Häuserreihen ab. Nach dem Schiff sahen sie sich kein einziges Mal um. Dann gingen sie mit schnellen Schritten in Richtung Stadt.
    »Er hat uns nicht gesehen«, stieß Summer atemlos hervor. Sie hätte unendlich erleichtert sein müssen, stattdessen spürte sie nur mit einem Mal ihre ganze Schwäche, ihren Hunger und jeden verspannten Muskel.
    »Das war knapp«, sagte Anzej und legte ihr den Arm um die Schultern. Sie wusste nicht, warum, aber heute versteifte sie sich bei seiner Berührung. Vorsichtig entwand sie sich ihm. Natürlich hätte sie sich nun für ihre Rettung bedanken müssen. Aber alles, was ihr einfiel, war die Frage: »Warum … hattest du zwei Karten?«
    Anzej lachte, aber es klang nervös. »Ich … hatte einfach gehofft, dass du es dir anders überlegst. Ich wollte dich nicht zurücklassen. Ich weiß, gestern habe ich noch ganz anders geklungen. Große Worte und nichts dahinter.«
    »Du hast mich bestohlen!«
    Er zeigte ihr ein schiefes Lächeln und verschränkte die Arme. »Tja, so sieht es wohl aus. Aber immerhin sind wir dafür nun in Sicherheit. Und schließlich habe ich dir nie verschwiegen, dass ich ein Dieb bin.«

gefängnis aus holz
    D as Schiff war eine Welt für sich - und zwar eine, die Summer lieber nicht kennengelernt hätte, ein knarrendes hölzernes Gefängnis, das über Untiefen dahintrieb, die sie schwindelig machten. Anzej und sie waren nicht in den Lagerräumen der Zwischendecks untergebracht, in denen die Söldner in langen Reihen auf dem Boden schliefen. Ihre Schlafstatt war ein fensterloser Stauraum im Unterdeck des vorderen Schiffsteils. Er lag noch unter den Mannschaftsunterkünften. Lediglich zwei übereinanderliegende Kojen fanden hier Platz. Den restlichen Raum beanspruchten aufeinandergestapelte Transportkisten, die leicht nach Waffenöl und seltsamerweise nach Lavendel rochen.
    »Warum müssen wir nicht bei den anderen im Zwischendeck schlafen?«, fragte Summer.
    Anzej zuckte mit den Schultern. »Weil wir Glück gehabt und zufällig die Passage mit einer Einzelkabine bekommen haben. Häng es nicht an die große Glocke, hier gibt es viele, die uns sogar um dieses Loch hier beneiden würden. Manche Passagiere müssen oben auf dem Deck unter freiem Himmel übernachten.«
    Summer blickte sich zweifelnd um. Der Raum war stickig und roch nach feuchtem Holz und Teer. Das Bettzeug - grobe Decken aus Segeltuch - fühlte sich klamm an.

    »Erhol dich von dem Schreck und wärm dich auf«, schlug Anzej vor. »Ich schaue mich an Deck um und sehe zu, dass ich etwas zu essen für uns finde. Du brauchst wieder einen Mantel. Und dort, wo wir hingehen, werden wir noch mehr warme Sachen benötigen.«
    Und von welchem Geld willst du sie kaufen? , wollte Summer fragen. Doch sie nickte nur. Anzej zückte das Feuerzeug, das er seit ihrem ersten gemeinsamen Abend verwahrte, und entzündete auch die zweite kleine Lampe, die von einem Haken an der niedrigen Decke baumelte. Die aufzuckende Flamme ließ seine Augen in einem besonders intensiven Grünton aufleuchten. Summer, die auf der unteren Koje saß, zog die Beine an den Körper und schlang die Arme darum. Sicher fröstelte sie nur, weil sie fiebrig und erschöpft war. Der Schock saß ihr immer

Weitere Kostenlose Bücher