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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Vergangenheit. Das Flüstern, das sie in der Gasse gehört hatte! Und
plötzlich raste ihr Herz, als müsste sie ersticken, die Kammer war wirklich ein schwimmender Sarg. Und Anzejs Arm die Fessel, die sie unter Wasser hielt. Ich muss weg hier! Nachdenken … einen klaren Kopf bekommen … So vorsichtig, dass Anzej nicht erwachte, schob sie den Arm weg. Dann kletterte sie, so schnell sie konnte, aus der Koje.

    Die ersten Schritte auf dem schwankenden Boden kosteten sie Überwindung. Ihre Sohlen kribbelten, so als müsste sie über die Haut eines lebendigen Wesens laufen, das sie jederzeit bemerken und nach ihr schnappen könnte.
    Sie war darauf vorbereitet gewesen, ein in der Nacht schlafendes Deck vorzufinden, stattdessen hörte sie über ihrem Kopf eilige Schritte und Stimmen. War es bereits Morgen? Endlich erreichte sie den Aufgang, der vom Zwischendeck aus ins Freie führte, packte den Handlauf und kletterte nach oben.
    Der erste Windstoß wirkte wie ein berauschendes Getränk. Sie klammerte sich an den Rand der aufgestellten Luke und atmete die salzige Meeresluft tief ein. Die Kälte brachte sie zur Besinnung, vertrieb die Angst und ließ ihr endlich Raum für einen klaren Gedanken. Über ihr bauschten sich die Segel vor einem Himmel, der nicht mehr ganz Nacht und noch nicht Morgen war. Taue und Seile spannten sich über ächzendem Holz. Und ringsherum wogte - wie eine Kulisse aus grauschwarzem Glanzstoff - das Meer!
    An Deck beleuchtete eine Vielzahl von Laternen eine bizarre Szenerie. Wäre der Seegang nicht gewesen, Summer hätte geschworen, auf einen belebten Platz am Hafen zu blicken. Etwa
hundert Rekruten hatten sich auf dem Deck im Zwischenschiff versammelt. In Trauben standen sie um einzelne Männer und Frauen herum, doch Summer konnte auf den ersten Blick nicht erkennen, was sie dort genau taten. Doch da war noch etwas, was sie sofort gefangen nahm. Irgendwo weiter vorne auf dem Schiff spielte jemand auf einem Instrument, das Summer noch nie zuvor gehört hatte. Ein Streichinstrument, ähnlich einer Geige, nur klang es rauer und lebendiger - fast wie eine menschliche Stimme. Obwohl der Trubel sie einschüchterte, konnte Summer nicht anders, als sich dem Klang zuzuwenden. Ein weiterer Windstoß strich wie kalte Seide über ihr Gesicht - und mit einem Mal war es ihr, als sei sie endgültig entkommen - aus dem Dunkel, aus Lady Tods Armen. Das Glücksgefühl wallte so überraschend in ihr auf, dass sie lächeln musste. Sie schloss die Augen und lauschte der Musik. Sogar Lachen hörte sie - ganz so, als hätten die Rekruten ihre bedrückte Schweigsamkeit am Pier zurückgelassen. So wie ich den Blutmann . Hier, inmitten von Haien und Wasser, bin ich zum ersten Mal sicher!
    Sie lachte auf, fühlte die rauen, nassen Planken und schmeckte Gischt. Irgendwo zwischen Schlüsselbein und Zwerchfell stieg ein vergessenes Bild auf und zerfloss zu Tönen und Farben. Diesmal war es die Ahnung einer schönen Erinnerung - und Summer streckte alle Sinne danach aus, tastete danach und hätte am liebsten aufgeschrien, als sie tatsächlich etwas fand:
    Sie war nicht in Gefahr, sie roch Zedernrauch und spürte die Ahnung eines rauen Kusses, der sie völlig gefangen nahm. Unter ihren Fingerspitzen: Haut. Und Schnee. »Gibst du auf?«, rief ein Mann ihr lachend zu.
    »Was ist los mit dir? Hast du zu viel Wein getrunken?«
    Verärgert öffnete sie die Augen. Vor ihr stand ein kräftiges Mädchen,
das ein wenig an Ana erinnerte. Nur das kurz geschnittene, störrische Haar passte nicht ins Bild.
    »Nein, habe ich nicht«, erwiderte Summer unwillig.
    Die Fremde war sicher nicht älter als sechzehn, auch wenn sie sich erwachsener gab. Ihre Wangen waren gerötet - ob vom Wind oder vom Wein, konnte Summer nicht sagen.
    »Hast du dein Zeichen schon?«, fragte sie nun weiter.
    »Welches Zeichen?«
    Das Mädchen streckte Summer den rechten Arm hin. Ihr Ärmel war aufgekrempelt, nun schob sie ihn noch ein Stück weiter hoch und enthüllte ein frisches Tattoo auf der Innenseite des Unterarms. Die schwarzen Linien hoben sich leicht geschwollen von der übrigen Haut ab und wirkten noch wie mit einem roten Stift umrandet.
    »Unser Truppenzeichen. Das Lindenblatt steht für Lord Teremes«, erklärte das Mädchen. »Teremes, der Nordländer! Er bezahlt den Sold der Freiwilligen auf diesem Schiff. Hier - das ist meine Nummer - und darunter der Code für meine Einheit. Du gehörst doch auch zu uns, oder?«
    »Nein. Ganz bestimmt

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