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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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hinein. Es war, als
würde eine Last von ihren Schultern rutschen. Unter ihr wirkte das Schiff klein wie eine Schale, kaum sichtbar zwischen den Segeln, die sich wie dunkelrote Wolken unter ihr bauschten. An diesem Tag wallte dichter Nebel über die Wellen. Dennoch sah man von Zeit zu Zeit die anderen Frachter in größerer Entfernung - Schemen, die sich durch Nebelschwaden schoben. Genauso sieht es in meinem Gedächtnis aus , dachte Summer niedergeschlagen.
    Sie rollte sich auf dem Boden des Krähennests zusammen. Hier war es windstill, beinahe warm, eine kleine, sichere Kammer. Sie schälte sich aus ihrer Jacke und rollte sie zu einem Kopfkissen zusammen. Über ihr war nur der Himmel, und sie konnte sich einbilden, in einem windgebeutelten Baum sitzen.
    Fieberhaft versuchte sie, sich zu erinnern. Konnte sie tatsächlich ein Leben in einer längst vergangenen Zeit geführt haben? Die Lösung schien zum Greifen nahe, ein Zipfel eines flatternden Segels, das Wind fangen wollte, aber nicht den richtigen Winkel fand.

    Heute glich ihr Traum der Sequenz eines knatternden Projektors. Ein Film lief ab - die Szene mit dem Blutmann.
    Sie stand ihm gegenüber, in dem Hinterhof in Anakand, aber sie trug das weiße Kleid und hatte langes Haar. Sie wusste, sie müsste Angst haben, weglaufen, aber stattdessen starrte sie die Erscheinung nur an, studierte die Maske, den Mantel, die Haltung. Die Handschuhe waren fleckig, doch es waren keine dunklen Flecken, sondern helle, wie von Wasser oder Bier. Und noch etwas passte so gar nicht zum Schrecken ihrer Nächte.
    Das Schwert.

    Das Bild des Projektors zuckte.
    Das Schwert.
    Es wiederholte sich noch einmal.
    Das Schwert in seiner rechten Hand.
    Seiner rechten Hand.
    Seiner rechten …
    Und dann blieb das Bild ratternd stehen, als sei der Projektor kaputt, überlagert von einem anderen Traumbild, dem richtigen, das ihr Angst einjagte, solange sie sich erinnern konnte. Die Erkenntnis überspülte sie wie eine kalte Woge aus dem tiefsten Meer.
    »Er war es nicht«, murmelte sie. »Er kann es gar nicht gewesen sein. Er hat das Schwert… in der falschen Hand.«
    Sie tauchte so mühsam aus dem Schlaf hoch, als würde sie gegen Wellen kämpfen. Und mit jedem Meter, den sie dabei eroberte, wurde ihr klar, dass sie das Opfer einer Täuschung geworden war. Es war so einfach, dass sie sich schämte, es nicht gleich durchschaut zu haben. Es waren die Handschuhe der Werberin gewesen. Anzej musste sie ihr abgekauft haben. Und wen hatte er dafür bezahlt, den Blutmann zu spielen?
    Benommen richtete sie sich auf. Eine Segeltuchdecke rutschte ihr von den Schultern. Das Aroma von Waffenöl und salzgetränktem Holz umwehte sie. Noch bevor sie die Augen aufriss, wusste sie mit siedend heißem Schreck, was das bedeutete: Anzej war hier! Ihre Wange war noch warm von seiner Haut. Weil sie an ihn geschmiegt dagelegen hatte, den Kopf an seine Schulter gelehnt. Seit wann ist er hier? Warum bin ich nicht aufgewacht?
    Sie öffnete die Augen. Und schlug die Hand vor den Mund, um nicht zu schreien.
    Diesmal war sie ganz sicher, absolut wach zu sein. Unter ihr das
Flappen von schlaffen Segeln. Und an ihrem Rücken die Wand des Krähennests, an die sie sich nun presste. Der Mond tauchte die Szene in Geisterlicht.
    Vor ihr überlagerten sich zwei Wirklichkeiten, durchdrangen sich wie auf einer Doppelbelichtung: Anzej, so wie sie ihn kannte. Er lag schlafend auf der Seite, ihr zugewandt und den Arm zur Seite gestreckt. Seine Jacke hatte er ausgezogen, der Pullover war hochgerutscht und entblößte einen Teil seines Rückens.
    In der anderen Wirklichkeit war er nackt.
    Um ihn herum, an den Innenwänden des Krähennests, entdeckte sie die Raupen, die sie schon einige Male gesehen hatte. Und inmitten dieses Nestes, das heimelig und gespenstisch zugleich wirkte, lag Anzej unter einer transparenten, schimmernden Decke. Nur dass es keine Decke war, eher ein Schleier. Ein flirrender Schleier, der … lebendig wirkte.
    Summer rang nach Luft. Sie beugte sich ein wenig vor und erstarrte. Nein, es war auch kein Schleier. Eher… eine Art Haut? Sie blinzelte und das Trugbild verschwand, als hätte der Seewind es weggetragen. Die Raupen, dieser seltsame Glanz - aufgelöst. Da war nur noch Anzej, der sich regte und die Augen aufschlug. Obwohl es tiefe Nacht war, erkannte sie jede Einzelheit.
    »Was … machst du hier?«, flüsterte sie. »Wie hast du mich gefunden?«
    Was bist du?
    »War nicht schwer, dich zu finden«, antwortete

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