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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Nächste, was ich sehe, ist eine leere Bettseite - im ersten Moment dachte ich tatsächlich, dir sei etwas passiert! Aber jetzt stehe ich vor einer Frau, die mit mir umspringt wie mit einem Diener und mich so feindselig anschaut, als würde sie mich am liebsten schlagen. Es ist, als würde man jemanden lieben, in dem zwei völlig verschiedene Leute stecken.«
    Summer verschränkte die Arme und hob das Kinn. »Du liebst mich?«
    »Hätte ich sonst mein Leben aufs Spiel gesetzt? Und ich hätte mich auch nicht mit dem Blutmann persönlich angelegt, um dich zu schützen.«

    Das Schlimme war, dass er absolut aufrichtig klang. Und einen Moment lang hätte sie nichts lieber getan, als sich in die Sicherheit ihrer Freundschaft zu flüchten und jeden Zweifel zu vergessen.
    »Wenn ich nicht gewesen wäre, dann wärst du jetzt tot«, fügte er hinzu. »Vergiss das nicht, wenn du mich schon verdächtigst und verurteilst.«
    Summer schluckte und senkte den Blick. Ihr war schwindelig, Bilder vermischten sich in ihrem Kopf. Und ihr Puls hämmerte gegen ihre Schläfen.
    »Es ist erstaunlich, wie oft du zur richtigen Zeit am richtigen Ort bist, um mich zu retten«, sagte sie. »Du lernst meine Sprache so schnell, dass es unheimlich ist. Stammst du … wirklich aus dem Nordland, Anzej?« Und leiser fügte sie hinzu: »Oder ist das das tiefste Geheimnis deiner Seele, dass du ein noch besserer Lügner bist als ich? Wer … bist du, Anzej?«
    Sie konnte sehen, wie ein Muskel an seinem Kiefer sich verhärtete, als er die Zähne zusammenbiss.
    »Wer bist du , Summer?«, antwortete er mit rauer Stimme. »Vielleicht bist du es ja, die meine Sprache gelernt hat? Oder vielleicht gibt es mich gar nicht und du bildest dir nur ein, mit mir zu sprechen? Vielleicht sind wir ja beide verrückt?«
    Angst flackerte in ihr auf, als sie sein Gesicht sah. Eine Sekunde lang hatte es sich verändert. Die Schatten um seine Augen waren tief wie Augenhöhlen, und ein Flirren tanzte auf dem Umriss seiner Schultern und seiner immer noch ausgestreckten Hand. »Komm mit mir in die Kabine«, wiederholte er. Doch diesmal schwang in seinen besorgten Worten ein Unterton mit, der sie aufrüttelte wie ein warnender Ruf. Gib ihm nicht die Hand. Berühre ihn nicht . Es sind seine Berührungen und seine Küsse. Sie
lassen dich vergessen. Es war dieser Moment, als sie endlich begriff, was das Schiff tatsächlich war: ein Gefängnis mit Gittern aus unendlich tiefem Wasser.
    »Summer!«, forderte er sie noch eindringlicher auf. Doch sie trat einen Schritt zurück, und dann noch einen weiteren. Über Anzejs Schulter hinweg entdeckte sie Farrin. Er stand oben auf dem Vorderschiff, gemeinsam mit den Beratern und Offizieren. Misstrauisch beobachtete er die Szene. Fragend hob er die Brauen und Summers Angst verflog ein wenig. Sie war auf diesem Schiff nicht allein. Ein Wink von ihr und Farrin würde zu ihr kommen.
    Sie schüttelte den Kopf und sah Anzej direkt in die Augen.
    »Nein«, sagte sie fest. »Mein Platz ist hier oben.«
    Anzej hielt die Hand noch ein, zwei Sekunden ausgestreckt, dann zog er sie enttäuscht zurück und ballte die Hand zur Faust.
    Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ließ sie an Deck zurück.

wellen und flügel
    S ie hatte die Nähe der anderen Menschen gesucht und sich zu den anderen Passagieren auf das Vorderschiff verkrochen. Immer wieder hielt sie Ausschau nach Farrin und den Offizieren, doch sie hatten das Deck verlassen und saßen vermutlich in den Kajüten auf dem Achterdeck. Bei jedem Geräusch fuhr sie herum, weil sie fürchtete, es könnte Anzej sein. Fieberhaft versuchte sie, sich einen Plan zurechtzulegen, doch das Wasser um sie herum machte ihr bewusst, dass sie in der Falle saß. Sie blickte sich um und entdeckte eine Seilleiter, die sich am vorderen Mast hinaufspannte. Und oben, weit über den Segeln, entdeckte sie ganz unverhofft einen Ort, an dem sie sich immerhin für eine Weile verbergen konnte.
    Das Meer wurde stürmischer, Wasser schwappte an Bord und hinterließ eine Spur aus winzigen, zappelnden Fischen, die die Passagiere eilig aufsammelten und als Proviant verstauten.
    »Los, runter vom Deck! In die Frachträume!«, befahl ein Matrose. Summer sprang mit den anderen auf, doch dann huschte sie zur Seite und begann im Sichtschutz eines Segels zu klettern.
    Sie hatte die Höhe schon immer geliebt, aber noch nie war ihr so bewusst geworden, wie viel Sicherheit sie ihr gab. Atemlos erreichte sie das Krähennest und kletterte

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