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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Wirbel zurückließ. Der Moment hatte genügt, alles bis ins kleinste Detail wahrzunehmen: die dreieckige Scharte in der Flosse, die grauweiß gestreifte Fischhaut. An ihren Beinen fühlte Summer, wie sich das Wasser um sie herum in einer trägen Schwingung verschob, als würde ein gewaltiger Körper es verdrängen.
    »Hör auf zu zappeln«, befahl ihr die Offizierin, die neben Farrin im Boot saß, barsch. »Sonst denkt er, du bist ein verletzter Fisch, und beißt gleich zu.« Jetzt hätte Summer doch beinahe aufgeschrien, doch eine Welle schwappte in ihren Mund und ertränkte jeden Laut. Das Ruderboot war herangeglitten, nun klatschte ein Seil gegen ihre Stirn und sie krallte sich hinein. Dann wurde sie schon von kraftvollen Armen zum Boot gezogen, während ihre Beine in Erwartung von messerscharfen Zähnen kribbelten, als würden sie brennen. Einige Sekunden später lag sie keuchend im Boot, über sich zwei erstaunte Gesichter.
    »Du?«, sagte Farrin. »Bei allen Wassergöttern, Taja! Warum fällst du denn mitten in der Nacht vom Schiff?«
    Summer hustete. »Ich bin nicht gefallen«, würgte sie hervor. »Sondern gesprungen. Der… Matrose wollte mich … nicht zur Leiter lassen. Aber ich will mit euch fahren. Ich habe es mir überlegt.«
    Die beiden starrten sie an, als hätte sie verkündet, dass sie mitten in der Nacht beschlossen hatte, einen Hai zu streicheln.
    »Bringen wir sie zurück«, entschied die Offizierin.
    Summer krallte sich in Farrins Arm.
    »Du hast mich gefragt, auf welcher Seite ich stehe, und ich habe darüber nachgedacht und mich entschieden. Du hast gesagt, ihr könnt jeden Mann und jede Frau brauchen! Gilt dein Wort nichts?«

    »Du hast was?«, zischte ihm die Offizierin zu.
    Jetzt war Farrin tatsächlich sprachlos. Summer warf einen bangen Blick auf den Vordermast und das Krähennest, dann griff sie in ihre Tasche und zerrte eine Handvoll Geld heraus.
    »Wenn ihr mich nicht haben wollt, dann bezahle ich eben für die Überfahrt«, sprudelte sie heraus. »Setzt mich am Ufer ab, ich finde schon jemanden, der meine Dienste zu schätzen weiß.«
    »Sehen wir aus wie ein Transportboot? Wenn du Kriegsdienst leisten willst, melde dich gefälligst als Freiwillige und steig im Kreidehafen aus«, knurrte die Frau. Ihre Zornesfalte zwischen den Augen war noch tiefer geworden.
    »Augenblick mal, Lux«, meldete sich Farrin wieder zu Wort. »Vielleicht kann sie uns tatsächlich nützlich sein.«
    »Noch mehr Verrückte können wir nicht gebrauchen.«
    »Mag sein, aber immerhin spricht sie einige Sprachen. Sie hat sich sogar mit einem Mann aus Nikala unterhalten - der Alte mit der Pferdekopfgeige - und dann ein Lied auf Nordländisch gesungen, ich habe sie beobachtet. Und das kann uns nützen, du weißt, wie viele Rekruten aus verschiedenen Ländern wir haben. Von den Gesandten und den Beratern ganz zu schweigen.«
    Summer hielt unwillkürlich den Atem an. Also hatte Anzej ihre Sprache gar nicht gelernt. Sie selbst war es, die seine nach und nach immer besser verstanden hatte. Oder habe ich mich nur wieder an sie erinnert? Aber offenbar beherrschte sie auch andere Sprachen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Jetzt erst fiel ihr auf, dass sie sich tatsächlich nie gewundert hatte, warum sie Menschen in allen Städten verstand und allenfalls verschiedene Dialekte wahrnahm. Ihre Zähne begannen ganz von selbst zu klappern.
    Lux blickte zum Motorboot. Jemand schwenkte dort ein Licht, als wollte er sie zur Eile antreiben. Die Meeresströmung hatte
das Ruderboot bereits achterwärts abgetrieben. »Wie auch immer, wir haben ohnehin keine Zeit, sie zum Schiff zurückzubringen«, meinte die Offizierin und griff zu den Riemen. »Und du hättest sie sowieso mitgenommen, was? Du hast einen härteren Dickschädel als der Käpten.«
    Farrin lachte. »Kein Wort gegen den Käpten! Und verwechsle Klugheit und Stärke nicht mit Sturheit.«
    Lux murmelte etwas, das nicht gerade freundlich klang, und stach dann mit dem Zeigefinger in Summers Richtung.
    »Und du, Haifischfutter, steck gefälligst dein Geld wieder ein. Da, wo wir hinfahren, wird es dir nichts nützen.«
    Summer gehorchte und verstaute das nasse Knäuel wieder in der Tasche. Mit jedem Ruderschlag wurde ihr leichter ums Herz.
    »Freu dich nicht zu früh«, sagte Farrin, als hätte er ihre Gedanken erraten. »Ob du wirklich mitkommen kannst, entscheidet allein der Käpten.«
    Summer schluckte. »Scheint ja nicht gerade einfach zu sein, ihn zu mögen«, sagte sie

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