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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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heiser.
    »Sagen wir so, es ist nicht einfach, ihn zu überzeugen.« Er beugte sich vor. »Was ist mit deinem Freund?«, fragte er leise.
    »Er ist ein Lügner, Dieb und Verräter. Leider habe ich das zu spät erkannt.« Diese Worte kamen aus vollem Herzen.
    Auf dem Motorboot erwartete etwa ein Dutzend Leute das Ruderboot. Farrin sprang als Erster an Deck und lief mit großen Schritten zu der tiefer gelegenen Kajüte im Mittelteil. Summer versuchte, die Fetzen einer Diskussion mit mehreren Leuten aufzuschnappen, aber der Wind trieb die Worte in eine andere Richtung. Doch schließlich sah sie unendlich erleichtert, wie Farrin zurückkam und ihr die Hand hinhielt. Diesmal nahm Summer sie und ließ sich an Bord ziehen.

    Das Motorboot startete, der Lärm erschien ihr ohrenbetäubend. Der Sog der schnellen Fahrt drückte sie zur Seite. Mit immer noch klappernden Zähnen sank sie auf einer Kiste zusammen. Die Jacke klebte kalt auf ihrer Haut. Über die schäumende Furche hinweg, die der Motor durch das Wasser zog, blickte sie besorgt zum Schiff zurück und war erleichtert, dass sich im Krähennest nichts regte. Der Wind stand günstig. Und keiner der Matrosen schien bemerkt zu haben, dass jemand über Bord gesprungen war.
    Du wirst mich nie mehr finden, Anzej , dachte sie und zog die nasse Jacke enger um die Schultern. Sie stutzte, als dabei etwas Kantiges gegen ihr Schlüsselbein drückte. Sie musste eine Weile tasten, bis sie die gut versteckte Innentasche gefunden hatte. Ihr Zeigefinger strich über Karton - und glatten Lack. Ein Stapel durchweichter Karten steckte in der Tasche. Summer zog sie hervor und musste plötzlich gegen die Tränen ankämpfen, als sie den letzten Beweis von Anzejs falschem Spiel sah. In den Händen hielt sie das Kartenspiel aus der Kneipe in Anakand. Ganz obenauf lag die Herzkönigin, deren aufgemalter Schnurrbart nun mit den abperlenden Wassertropfen zerlief.

die zweite wirklicheit
    S ie erwachte mit demselben verhassten Geräusch von Wasser um sich herum, nur dass diesmal auch Motorlärm hinzukam und ihr bewusst machte, wo sie sich befand. Gerade überlegte sie noch, was sie geweckt hatte, als ihr schon wieder etwas Hartes gegen den Oberarm stieß. »Was soll das? Ich bin wach!«, murmelte Summer unwillig. Ihre Wimpern waren verklebt von einer Salzkruste und es fiel ihr schwer, die Augen zu öffnen. Sonnenlicht fiel auf die nassen Planken, auf denen sie zusammengerollt lag. Wenige Handbreit von ihrer Nase entfernt entdeckte sie eine eisenbeschlagene Stiefelspitze - und über ihr, im Gegenlicht, erhob sich eine schlanke Gestalt mit langem Haar. »Guten Morgen«, sagte der Schatten. Als Echo antwortete ihr ein raues, kehliges Knurren - direkt neben Summer.
    So schnell war sie noch nie auf die Beine gekommen. Und als sie endgültig begriff, wer vor ihr stand, kam es ihr so vor, als wäre seit der Begegnung in Maymara keine Sekunde vergangen. Wieder stand sie Auge in Auge der bewaffneten Frau gegenüber. Auch das Gefühl entsprach genau dem, das sie damals empfunden hatte: fliehen zu wollen und dennoch nicht wegzukönnen. Und plötzlich war auch der Blutmann wieder ganz nah, sein Eisatem, die graugrünen Augen voller Hass und die Klinge auf der Haut.

    An den Fingerknöcheln konnte sie den Atem des Jagdhundes spüren, aber sie wagte nicht, die Hand wegzuziehen.
    »Hallo, Tanzmädchen«, sagte die Frau ruhig. »Kommst ja ganz schön rum.«
    Es geschah selten, aber in diesem Moment fiel Summer absolut nichts ein, was sie hätte erwidern können. Das war die Beraterin von Lord Teremes? Das Einzige, was sie von der strengen Erscheinung in Maymara unterschied, war die Tatsache, dass sie ihr Haar diesmal nicht straff zurückgebunden hatte. Der Wind verwirbelte ihre langen nussbraunen Strähnen und gab ihr das Aussehen einer Windsbraut.
    »Seltsam. Jedes Mal, wenn ich dich treffe, hast du einen anderen Freund, dem du dann davonläufst. Und? Was hat der hübsche Blonde verbrochen, mit dem du dich gestern an Deck gestritten hast?«
    Offenbar hatte die Frau sie also längst erkannt, hatte sie sogar beobachtet. »Er … ist nicht mein Freund«, antwortete Summer. »Wir waren nur … Reisegefährten. Hören Sie, ich kann Ihnen erklären, was in Maymara passiert ist. Ich wollte nicht …«
    »Verschone mich mit Märchen«, unterbrach die Frau sie barsch. »Und das Gesieze kannst du auch bleiben lassen. Höflichkeit zählt nur zwischen Leuten, die einander achten. Und ich halte herzlich wenig von Leuten, die

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