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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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während das Boot in ruhiges Wasser fuhr. Felsnadeln bildeten ein natürliches Tor, im Becken dahinter war das Wasser glatt wie ein Spiegel und so tief, dass es schwarz wirkte. »Ich hatte Lord Teremes gesagt, er soll mir einen Mann mit ein paar Pferden schicken, keine Armee, die jedem Späher schon von Weitem auffällt.«

    »Hätten wir Lord Teremes gehorcht und uns von Anakand aus zum Hafen von Kars eskortieren lassen, bräuchten wir jetzt keine Späher zu fürchten«, wandte Lux ein. Jähzorn blitzte wieder in ihren Augen auf, als Moira an ihr vorbeiging, ohne ihr zu antworten.
    Summer, die sich an den Bootsrand klammerte, starrte dagegen mit klopfendem Herzen dem Land entgegen. Das Boot legte an einem steinernen Pier an, der schon so verwittert und von Napfmuscheln zerfressen war, dass er zu einem Bestandteil der Felsen geworden war. Nur weniges deutete darauf hin, dass hier in früherer Zeit ein Hafen gewesen war. Farrin und Summer sprangen als Erste vom Schiff, beide unendlich erleichtert, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Allerdings schien das Land noch schlimmer zu schwanken als das Schiff. Summer ging ein paar Schritte, dann ließ sie sich mit zittrigen Beinen auf dem Boden nieder. Muschelschalen und rauer Stein drückten sich in ihre Knie und Handflächen, und plötzlich
    war sie einfach nur glücklich, hier zu sein. Unter ihren Handflächen war polierte Glätte - seltener, grün geäderter Marmor. Der ganze Landungssteg war damit verkleidet. Abendsonne legte einen rötlichen Glanz darauf, und ein Mann, dessen leise Stimme zärtlich und jung klang, raunte ihr zu: »Siehst du dort? Genau zwischen den Felsnadeln steht nachts das Südlicht.«
    »Wirst du ein Lied darüber schreiben?« Das war ihre eigene Stimme. Sie klang etwas dunkler und hatte einen spöttischen Tonfall - doch es schwang etwas Weiches, Sehnsuchtsvolles darin mit.
    »Gib du mir die Worte, ich habe die Melodie dafür«, entgegnete der Mann. Und er sang ihr leise ins Ohr: »Du und ich, wir gehen fort …«
    »Taja, komm endlich!«, rief Farrin.
    Sie schnappte nach Luft, kämpfte aber sofort den Schwindel nieder und kam auf die Beine. Mit Unbehagen stellte sie fest, dass Moira, die bereits auf einem Pferd saß, sie scharf beobachtete.
    »Schaffst du die paar Meter, ohne dass du ins Wasser fällst, oder muss ich dich ein Stück tragen?«, fragte Farrin.
    Summer schüttelte den Kopf und setzte sich in Bewegung. Ein scharfes Platschen ließ sie erschrocken zurückblicken. Im Wasser glaubte sie wieder den riesigen grauweißen Hai mit der schartigen Rückenflosse unter das Schiff huschen zu sehen. Und ein Blinzeln lang bildete sie sich ein, auch ein weiches Kindergesicht unter Wasser zu sehen, doch es musste eine Täuschung durch die Spiegelung der aufziehenden Wolken gewesen sein.

    Das stämmige kleine Pferd hasste sie eindeutig ebenso sehr wie Moiras Hund. Vielleicht sogar ein wenig mehr. Mit angelegten Ohren und vorgestrecktem Hals schritt es unter ihr aus, angespannt bis in den letzten Muskel, als versuchte es, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und seine Reiterin zu bringen. Der Weg vom Hafen zu den Anhöhen über der Küste führte durch Gestrüpp und einen Wald, der sich an den Hang krallte und mindestens hundert Jahre lang wild gewuchert haben musste. Schlangenmisteln hatten sich wie Schlingpflanzen um die Stämme gewunden und versperrten mit ihren hängenden Zweigen die Sicht. Nur manchmal, wenn ein Huf auf Stein traf, konnte man erahnen, dass sich hier einst eine gemauerte Serpentine befunden hatte, die Farrin »Piratenweg« nannte. Der Wald schien Augen zu haben, und obwohl es ein warmer Herbsttag war, glaubte Summer
Eisatem im Nacken zu spüren. Auch das Pferd wurde immer nervöser. Als sie einmal in die Mähne griff, um nicht abzurutschen, berührten ihre Finger das Fell am Hals. Das Pferd zuckte zusammen, quiekte auf und buckelte so plötzlich, dass Summer das Gleichgewicht verlor und unsanft zwischen Ranken und Ästen landete. Sie fluchte und setzte sich auf. Sträucher kratzten über ihren Arm. Ein Huf stampfte direkt neben Summers Fuß auf. Und Moiras Hund stand vor ihr. Summer presste die Lippen zusammen. Ausgerechnet Moira hatte ihren Sturz gesehen! Und natürlich saß sie auf ihrem Pferd so sicher und selbstbewusst wie eine Kriegerin aus dem Nordland. Summer machte sich schon auf eine spöttische oder wütende Bemerkung gefasst. Doch Moira fragte nur: »Verletzt?«
    Summer schüttelte unwillig den Kopf und

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