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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Tatsache, dass Moira sofort wusste, von wem Summer sprach, zeigte ihr, dass sie Farrin die ganze Zeit über beobachtet hatte. Das, und das leichte Lächeln, das bei diesen Worten in ihrer Stimme mitzuschwingen schien.
    »Du kennst also die schwarze und die weiße Seite«, sagte Summer. »Trägst du deshalb das Schachbrettmuster? Um dir dessen immer bewusst zu sein?«
    Unter ihren Händen spürte sie, wie Moira sich ein wenig anspannte. Doch zu ihrer Überraschung hörte sie ein leises Lachen.
    »Du bist wirklich nicht dumm, Taja. Oder Sulamar … oder wie auch immer du wirklich heißt. Ja, das Muster soll mich immer daran erinnern, meine Strategien niemals wie auf einem Spielfeld zu wählen. Denn Schachfiguren oder Schafe mögen schwarz oder weiß sein. Aber Menschen sind es niemals.«
    Jetzt musste auch Summer lächeln. Wenn wir uns anderswo begegnet wären, könnten wir vielleicht Freunde sein .
    »Jede Kriegspartei denkt doch, sie gehöre zur weißen Seite«, sagte sie.
    Moira zuckte mit den Schultern. »Natürlich, aber das spielt keine Rolle. Schwarz und Weiß dienen nur dazu, um Freund von Feind unterscheiden zu können. Sonst müssten beide Parteien sich eingestehen, wie sehr sie einander in Wirklichkeit gleichen. Gier, Grausamkeit und Güte sind auf beiden Seiten sehr gerecht verteilt.« Und leiser fügte sie hinzu: »Manchmal denke ich, es gibt die Dinge, die wir sehen, gar nicht. Nur die Unterschiede zwischen den Dingen. Weil sie das Einzige sind, was wir wirklich wahrnehmen können.«

    »Dann ist auch die Raublady keine Schauergestalt. Lady … Mar?«
    Moira holte scharf Luft.
    »Ich weiß, ich soll nicht nach ihr fragen«, lenkte Summer hastig ein. »Farrin hat mir eingeschärft, dich nicht auf sie anzusprechen.«
    Moira schwieg, während das nervöse Pferd die Kuppe mit einem Stolpern hinter sich brachte. Vielleicht bildete Summer es sich nur ein, dass die Luft auf der Anhöhe plötzlich kälter wurde?
    Wald wechselte sich hier mit Wiesenstreifen ab. Am Rand einer kleinen Lichtung warteten Farrin und Lux auf ihren Pferden. Erst als sie sahen, dass die Gruppe dabei war, aufzuschließen, ritten sie weiter und verschwanden wieder zwischen Bäumen.
    »Bei Lady Mar ist es etwas ganz anderes«, sagte Moira scharf. Das war wieder die unnahbare, harte Frau, die Summer kennengelernt hatte. »Eine grausamere Herrscherin gibt es nicht. Manche nennen sie auch Lady Tod. Und das zu Recht.«
    Summer schluckte. Mit einem Mal war ihr unwohl zumute. Die Nähe zu Moira fühlte sich bedrohlich an.
    »Stimmt es, dass du sie gesehen hast?«, fragte sie zaghaft.
    »Oh ja«, murmelte Moira. Und es klang so, als würde sie frösteln. »Und auch nein.«
    Das Pferd begann zu tänzeln. Vibrationen von Gedanken und Erinnerungen schienen Summer zu umgeben. Vielleicht waren es Moiras Gedanken, die sie nun auffing. Der Wald und das Gras schienen wieder von diesem seltsamen Glanz umgeben, der alle Ränder unscharf werden ließ. Sie sah Lady Tod vor sich - die roten Locken und der Totenschädel. Knochen unter gläserner Haut.
    »Wenn du die Fürstin wirklich gesehen hast, kann sie nicht
Lady Tod sein«, sagte sie leise. »Lady Tod hat kein Gesicht. Und in ihren Adern fließt Asche statt Blut.«
    Das Pferd blieb auf Moiras Zeichen hin abrupt stehen, warf erschrocken den Kopf hoch und drohte durchzugehen, doch Moira hielt es mit eiserner Hand. Mit zitternden Flanken stand es da. Moira verlagerte ihr Gewicht und wandte sich halb zu Summer um. Über ihre Schulter hinweg sahen sie sich aus unmittelbarer Nähe an.
    »Wer zum Teufel bist du?«, fragte Moira.
    Summer schluckte. In den grauen Augen sah sie Schleier. Und Asche, die im Wind verwehte.
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte sie. »Aber ich muss es herausfinden.«
    Jolas warnendes Knurren riss sie aus ihrer Erstarrung. Im selben Moment ertönte ein Donnerschlag, gefolgt von dem Prasseln von Ästen. Ohne Vorwarnung ging genau neben ihnen ein Baum in Flammen auf. Das Pferd stieg auf die Hinterbeine und Summer klammerte sich an Moira wie eine Ertrinkende. Gewehrsalven hallten in der Abenddämmerung, und aus dem Augenwinkel sah Summer eine weitere Rauchsäule, die sich hinter der nächsten Baumgruppe in den Himmel schraubte. Und wieder lernte Summer etwas: Angst zu bekommen brauchte Zeit, das Entsetzen aber war sofort da.
    »Verdammt«, presste Moira zwischen den Zähnen hervor. »Das Lager!« Die zwei Soldaten, die hinter ihnen geritten waren, keuchten auf, im nächsten Moment stürzten

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