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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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beobachten«, meinte er, während er die Handschuhe aus der Tasche zog und sie hastig überstreifte. »Wir sind mitten in ihrem Revier - den Tierläuferbergen.«
    Ein flüchtiger Verdacht blitzte in Summer auf, doch als sie sein Spiegelbild betrachtete, löste er sich sofort wieder auf. Nein, wenn Tierläufer Spiegelbilder wie Dämonen hatten, dann gehörte er nicht zu ihnen. Im Wasser sah sie nur ihn.

    »Werden sie uns nichts tun?«, fragte sie mit banger Stimme. »Farrin sagte, sie lassen niemanden in ihr Gebiet.«
    Er zog den linken Mundwinkel zu einem ironischen Lächeln hoch. »Tja, siehst du da drüben die alten Schwellen? Das hier sollte mal eine Bahnlinie mitten durch ihr Gebiet werden. König Beras musste nach einem Jahr aufgeben. Seine Arbeiter wurden nie wieder gefunden.«
    Summer fröstelte und ließ den Blick über die Anhöhen streifen.
    Er führte das Pferd aus dem Bach und machte sich bereit, wieder aufzusteigen.
    »He, warte!«, rief sie ihm zu. »Wäre es nicht besser, wenn wir … beide reiten? Dann wären wir schneller.«
    Schon während sie diesen Vorschlag aussprach, wusste sie, dass es ein Fehler gewesen war. Seine Mundwinkel zuckten, als müsste er sich ein spöttisches Lachen verkneifen. »Natürlich wären wir dann schneller«, sagte er trocken. »Aber erstens denke ich nicht daran, das Pferd noch einmal mit deiner Nähe zu quälen. Und zweitens« - er zog sich in den Sattel und blitzte ein arrogantes Lächeln zu ihr herüber - »muss ich im Fall eines Angriffs ja nur schneller sein als du.«

    Es war eine weitere interessante Lektion, die Summer über sich selbst lernte. Den Blutmann bis zur Mordlust zu hassen und gleichzeitig Angst vor den Tierläufern zu haben, gelang ihr nicht. Also entschied sie sich dafür, sich ganz und gar auf den Blutmann zu konzentrieren. Seltsamerweise ließ er das Pferd an diesem Tag langsamer gehen, aber sie konnte und wollte sich nicht vorstellen, dass er das Tier nur zurückhielt, um sie zu schonen. Immer mehr
Bäume säumten den breiter werdenden Schluchtengraben. Hier und da entdeckte Summer Zeichen an den Zweigen, Stöcke und Vogelfedern, vielleicht Wegmarkierungen der Tierläufer, deren Blicke sie im Nacken spürte. Als hätte der Gott des Windes sich von ihrer Laune inspirieren lassen, zog sich der Himmel mit bleigrauen Wolken zu, der Wind drehte und die Temperatur sank innerhalb weniger Stunden. Als der Blutmann am Abend das Pferd zum Stehen brachte und aus dem Sattel sprang, schmolz Frost unter Summers Sohlen und die ersten Schneeflocken verirrten sich auf den kahlen Platz zwischen drei Tannen.
    Schweigend beobachtete Summer ihn dabei, wie er das Pferd absattelte und unter den Tannen trockene Zweige für ein Lagerfeuer sammelte. Er durchsuchte seine Jackentaschen, dann fluchte er und begann den Armeerucksack zu durchwühlen. Ein Schlafsack kam zum Vorschein, die letzten Reste von Trockenfleisch, ein Kompass, weitere Seile und Ersatzmunition für das Gewehr, das im Sattelholster steckte. Doch das, wonach er suchte, schien er nicht zu finden. Das Pferd schnaubte eine weiße Wolke in die Luft und scharrte ungeduldig mit dem Vorderhuf, bis es die letzten Reste aus einem Haferbeutel bekam. Summer musterte den Blutmann aus schmalen Augen. Mit Genugtuung stellte sie fest, dass er mehr fror als sie. Offenbar hatte er nicht mit dem schnellen Wetterwechsel gerechnet. Und die Tarnjacke schien nicht warm genug für eine Nacht im Freien zu sein.
    »Kein Feuerzeug für ein Lagerfeuer?«, fragte sie nach einer Weile.
    Ein vernichtender Blick traf sie. »Zumindest das kannst du ja nicht gestohlen haben«, knurrte er.
    »Das brauche ich auch nicht. Ich habe mein eigenes.«
    Er runzelte die Stirn und musterte sie voller Misstrauen. Weißer
Atem klirrte vor seinem Gesicht. »So? Ich habe dich nach Waffen durchsucht, und ich habe keines bei dir gefunden.«
    »Vielleicht hast du nicht in der richtigen Tasche nachgeschaut.«
    Und als er nicht antwortete, setzte sie hinzu: »Binde mich los, dann kannst du Feuer machen.«
    Er lachte auf und wühlte in den Satteltaschen weiter. »Netter Versuch.«
    »Ich meine es ernst! Mit gebundenen Händen komme ich nicht an die Innentasche heran …«
    Jetzt stand er auf und kam zu ihr. Als er neben ihr in die Hocke ging, spannte sie schon ihre Muskeln, um ihn anzuspringen, ihn zu treten oder ihm mit den gebundenen Händen einen Fausthieb zu verpassen, doch die Klinge, die sich wie beiläufig auf ihre Kehle richtete, ließ sie

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