Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
fluchte, ließ das Feuerzeug auf den Boden fallen und streifte den Handschuh wieder über die Linke. Summer erhaschte nur einen kurzen Blick auf die Narben, bevor das Leder sie erneut bedeckte.
    Frag ihn! Frag ihn nach der Vergangenheit, bevor sie dir wieder entgleitet! »War … ich das?« Sie wunderte sich, wie viel Mut es sie kostete, ihm diese Frage zu stellen. Und ihr wurde klar, dass sie die Antwort vielleicht gar nicht wissen wollte. Was, wenn sie tatsächlich gewesen war, was er in ihr sah - eine Diebin und Lügnerin. Und eine, die dazu fähig war, einem Menschen Hände und Gesicht zu verbrennen?
    Er hielt mitten in der Bewegung inne und sah sie fragend an.
    »Diese … Verletzungen an deinen Händen«, fügte sie zaghaft hinzu. »Habe ich sie dir beigebracht? Damals, als wir uns kannten?«
    Es sah fast so aus, als würde die Vorstellung ihm amüsieren, doch dann senkte sich ein Schatten über seine Miene. »Nein. Die stammen von einem Unfall, als ich noch ein Kind war. In der Schmiede meines Vaters.«
    Vielleicht lag es an ihrer Anspannung, aber sie musste lachen - aus Erleichterung, dass zumindest eine Befürchtung nicht zutraf. »Dein Vater war … Schmied ? Aus welcher Zeit stammst du nur?«
    Im selben Moment merkte sie selbst, wie sie für seine Ohren klingen musste. Natürlich hörte er einen falschen Ton heraus.
    »Ja, Schmied«, erwiderte er gereizt. »Du brauchst dich gar nicht darüber lustig zu machen. Das war früher ein ehrenwerter Beruf. Und stell dir vor, mit Messer und Gabel konnten wir damals auch schon umgehen.«
    »So habe ich es nicht gemeint. Ich … erinnere mich nur nicht an die Zeit, in der wir uns kannten. Ich suche nach den Erinnerungen, aber ich finde nichts. Weißt du, warum ich ins Nordland
zurückgekommen bin? Weil das Einzige, an das ich mich erinnere, blaue Winterblüten sind, die nur hier wachsen. Und daran, dass ich mit jemandem getanzt habe. Warst … du das?«
    Wieder sah er sie mit dieser Verwunderung an, in die sich nun auch der Hauch eines Zweifels mischte. Und für einen Moment glaubte sie eine weitere Traumgestalt zu sehen, die sich über sein Bild legte. Diesmal war es nicht der Blutmann mit dem Schwert, sondern ein junger Mann, der lachte, während er einen Schlag mit einem Degen parierte. Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber die Anmut seiner flinken Bewegungen war ihr so vertraut, als hätte sie sie hundert Jahre lang beobachtet.
    »Wie … lange hast du mich gesucht?«
    »Menschenleben«, antwortete er mit heiserer Stimme. Nun schwang Trauer in der Stimme mit - und etwas Sanftes, das sie an ihm nicht kannte. War er diese Stimme, die mir vorgesungen hat? Als er sich abwandte und die Zügel vom Ast der Tanne losband, musste sie sich ins Gedächtnis rufen, dass er immer noch der Blutmann war. Du hattest sein Messer schon an der Kehle. Er will dich töten. Und Mort und die anderen hat er bereits auf dem Gewissen.
    Als er dem Pferd in die Mähne griff, dachte sie, er wollte es wegführen, aber dann erkannte sie, was er wirklich vorhatte.
    »He!«, rief sie. »Wo willst du hin?«
    »Weg von dir. Du redest mir zu viel.«
    »Nein! Du lässt mich hier nicht alleine!« Sie wollte aufspringen und zu ihm rennen, doch sie merkte, dass er das Seil um die Tanne geschlungen hatte. Jetzt, wo sich die Fesseln an ihren Handgelenken spannten, war es wieder einfach, ihn zu hassen.
    »Du verdammter Bastard! Hier wimmelt es von Tierläufern! Und von Raubtieren!«
    Mit einem lässigen Schwung trat er gegen das Feuerzeug, das
am Boden lag. In hohem Bogen flog es zu ihr und landete zwischen den Karten.
    »Mach Feuer«, meinte er trocken. »Vertreibt zumindest die Schneekatzen.«
    Dann zog er sich mit einem mühelosen Schwung auf den bloßen Rücken des Rappen und stob im Galopp so schnell davon, als würde er vor ihr fliehen.

    Sie wusste nicht, wie lange sie geflucht hatte und wie viele Schimpfnamen sie ihm gab. Aber es half nichts. Das Feuerzeug war tatsächlich nutzlos. Sie musste einsehen, dass der Stamm der Tanne zu dick war, um ihn mit dem Seil durchzuscheuern. Und dass der Blutmann den Knoten so weit über ihrem Kopf platziert hatte, dass sie nicht an ihn herankam. Immerhin fand sie in Reichweite einen Stock, den sie mit beiden Händen halten konnte. Besser als gar keine Waffe. Die Dunkelheit senkte sich auf sie herab wie ein schwarzer Samtstoff, durch den kein Stern hindurchschimmerte. Hinter den Tannen erwachten Geräusche: schleichende Schritte, die ihre Angst ihr

Weitere Kostenlose Bücher