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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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sie mit dem Fuß durch den Schnee - und traf auf die Karten, die seit gestern eingeschneit waren. Sie schob sie mit dem Zeh zur Seite und sie fächerten sich vor ihr auf. Ein winziger Stich ließ sie zusammenzucken. Als sie den Fuß anhob, grinste sie ein winziges, rundes Silbergesicht mit schrägen Augen an. Es hatte sich zwischen den Karten verfangen und war kaum größer als eine Münze. Weder sie noch der Blutmann hatten es bemerkt.
    Mit einem raschen Blick vergewisserte sie sich, dass er sich auf das Pferd konzentrierte, dann umfasste sie das runde Ding mit den Zehen, zog es heran und nahm es in die Hand. Eine raue Rückseite, und etwas Spitzes hing daran. Am liebsten hätte sie gejubelt, an der Rückseite war ein fester Draht! Das Ding war damit an einem Fetzen schwarzen Stoffs befestigt. Vorsichtig drehte sie die Silberscheibe zwischen den Fingern und betrachtete sie genauer.
    Und dann verpuffte ihre Euphorie auf der Stelle.
    In der Hand hielt sie den silbernen Katzenkopf, der Morts schwarze Glücksmaske geschmückt hatte. Die Ritzungen der Augen
und Schnurrhaare waren schon ganz glatt gerieben, so oft hatte der alte Theaterdirektor darübergestrichen. Jemand hatte das silberne Abzeichen grob von der Stoffmaske heruntergerissen. Summer hielt die Luft an. Der Kerl in Anakand, der ihr den Blutmann vorgespielt hatte. Er hatte eine schwarze Maske getragen. Anzej hatte ihn dafür bezahlt, Summer Angst zu machen. Und Anzej war es gewesen, der den Katzenkopf abgerissen und in der Innentasche versteckt hatte. Die Erkenntnis war wie ein Schlag in die Magengrube, der ihr die Luft nahm. Das heißt, er war in Morts Theater. Er hat die Maske mitgenommen.
    Hufschlag schreckte sie aus ihren Gedanken. Schnell verbarg sie den Katzenkopf in ihrer Hand, als der Schatten des Blutmanns auf sie fiel. Sie hörte das Leder von Sattel und Riemen knarren, als er sich weit hinunterbeugte und das Seil löste. Während sie noch die Karten und die Lederhülse zusammenraffte, befestigte er das Seil bereits am Sattelhorn und ritt los, ohne sich nach ihr umzusehen.
    »Wo bringst du mich hin?«, rief sie ihm hinterher. Für die Antwort blickte er nicht einmal über die Schulter. »Du wirst dich erinnern, wenn du es siehst. Und dann wirst du mir wiedergeben, was du gestohlen hast - oder dafür bezahlen.«
    Wofür ich bezahle oder nicht, bestimmst ganz sicher nicht du , dachte sie grimmig, als sie aufstand und dem Pferd barfuß über das vereiste Gras folgte. Worte konnten Angst machen, wie Gift wirken oder wie Schläge verletzen. Aber Summer stellte fest, dass alle Worte anders klangen, wenn man ein Stückchen Macht in der Hand hielt, und sei es nur so klein wie eine Metallnadel.

narben
    A uch an diesem Tag ritt er langsam, was ihr die Gelegenheit gab, sich auf den Draht zu konzentrieren. Es kostete sie einen abgebrochenen Fingernagel, um das Stück Metall im Laufen geradezubiegen, doch der zweite Teil der Aufgabe - es mithilfe ihrer Zähne als Hebel so in Form zu bringen, dass ein kleiner Haken entstand - gelang ihr besser, als sie erwartet hatte. Bei der ersten Rast nutzte sie die Minuten, in denen der Blutmann das Pferd am Bach tränkte, um den Draht in das winzige Schloss zu fädeln. Als sie spürte, wie der Haken einrastete und die Feder im Schließmechanismus dem Druck des Drahts nachgab und sich schließlich ganz herunterdrücken ließ, hätte sie am liebsten gejubelt. Das Schloss öffnete sich auf ihren behutsamen Zug hin und schnappte mit einem leisen Klacken auf. Die Fesseln lockerten sich augenblicklich. Summer atmete auf. Es fühlte sich jetzt schon an wie Freiheit. Und es kostete sie Überwindung, die Schlingen nicht sofort abzuschütteln und davonzulaufen, sondern die Berührung der Seile noch eine Weile freiwillig zu ertragen.
    Als sie weiterwanderten, hielt Summer die Seilschlaufen mit den Händen in ihrer Position, während sie den Blutmann betrachtete. Halte Ausschau nach einem Fluchtweg , befahl ihr ihre Katzenstimme, die ihr schon bei so vielen Fluchten geholfen hatte.
Achte darauf, dass das Pferd dir nicht folgen kann. Geh am besten durchs Wasser. Dir macht die Kälte nichts aus. Dem Blutmann schon.
    Immer noch liefen sie an den verlassenen Bahnschwellen entlang, doch nach und nach verloren sich auch diese Zeichen von Zivilisation. Der Bach wurde breiter, Trauerweiden standen am Ufer wie Frauen mit langem Frosthaar, die sich im Spiegel des Wassers betrachteten. Hinter der Weidengruppe reihten sich Felsspalten auf wie

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